Cover: Black-Box-Methoden. Mit systemischer Haltung therapieren, coachen und beraten, ohne das Problem zu kennen
Jens Förster

Black-Box-Methoden. Mit systemischer Haltung therapieren, coachen und beraten, ohne das Problem zu kennen

Rezension von Andreas Broszio

5 Min.

Der Begriff der Black Box findet häufig Verwendung, wenn es darum geht, Systeme zu beschreiben, deren innere Prozesse unbekannt sind. Es ist also naheliegend, diesen Begriff auch als Leitmetapher für ein Methodenbuch zu verwenden, das konsequent und vor allem konkret die wesentliche Herausforderung im Kontext helfender Beziehungen (Coaching, Beratung, Therapie) aufgreift: Es gilt, Menschen in ihren Klärungs- und Lösungsprozessen zu begleiten und zu unterstützen, obwohl es lediglich möglich ist, „sie annähernd verstehen […]“ zu können (S. 22).

Bei der Verwendung von Begriffen haben wir nur eine ungefähre Vorstellung davon, was das Gegenüber meint, und diese Vorstellung sagt womöglich mehr über mich und meine Erfahrungswelt aus als über mein Gegenüber und dessen Art und Weise des Zugangs zu sich selbst und zur Welt. Hinzu kommt, dass Sprache ohnehin nicht etwas Objektives bezeichnet, sondern eine konstitutive Kraft für den Menschen und seinen Weltbezug besitzt. Charles Taylor hat dies mit seinem Entwurf vom Menschen als „sprachbegabtes Tier“ (2017) in all seinen Implikationen deutlich gemacht. 

Für mich liest sich die Veröffentlichung „Black-Box-Methoden“ von Jens Förster als praktische Handreichung, die es ermöglicht, im professionellen Kommunikationskontext einen für die Klärung und Lösung von Problemen entscheidenden Unterschied zu machen. Einen Unterschied zum alltagstheoretischen Sprachverständnis, das Sprache als Spiegel der Wirklichkeit betrachtet. 

Das Buch hilft dabei, konsequent der Einsicht zu folgen, dass Sprache Wirklichkeit schafft und dieser Konstruktionsprozess etwas ganz eigenes und selbstorganisiertes ist. Dabei könnte eine radikale Lösung nach Förster darin bestehen, „auf Sprache als recht vages, unsicheres Element […] zu verzichten oder, in einer weniger radikalen Weise, mich nicht allein auf Sprache zu verlassen, sondern andere Wege der Kommunikation und des Sich-Einfühlens zu finden“ (S. 22). 

Und diese Wege beschreitet der Psychologe, Coach, Therapeut und Supervisor Jens Förster in seinem Buch in zugleich theoretisch fundierter wie praxisbezogener Art und Weise. Förster zeigt auf, wie Black-Box-Methoden „ein würdevolles, am Menschen orientiertes Vorgehen, dass ihre oder seine kreativen Ressourcen und die eigene Selbstorganisation anregt“ (S. 22), ermöglichen. 

Kapitel I („Losgehen“) schafft für die Lesenden einen orientierenden Ausgangspunkt. Förster beschreibt eine systemische Haltung, die er so versteht, „dass wir in jedem Menschen ein kreatives und kluges System entdecken können, das seine Probleme selbst lösen kann“ (S. 27). 

Zur Betonung der Verbindlichkeit einer solchen Haltung werden Rechte für die Hilfesuchenden definiert, die eine helfende Praxis konstituieren, in der „Selbst-Ermächtigung“ (S. 28) entstehen kann:

  • „Das Recht, die Kontrolle über den Prozess zu haben“
  • „Das Recht, alles denken zu dürfen“
  • „Das Recht auf Widerstände“
  • „Das Recht, mich nicht verändern zu müssen“
  • „Das Recht, nicht über-redet oder manipuliert zu werden“
  • „Das Recht, nicht bewertet oder analysiert zu werden“
  • „Das Recht, mich nicht für irgendjemanden verstellen zu müssen“
  • „Das Recht, mich nicht verständlich machen zu müssen“
  • „Das Recht, mich nicht schämen zu müssen“
  • „Das Recht auf einen co-kreativen Raum“
  • „Das Recht auf Begleitung statt Analyse, Beratung oder Therapie“ (S. 28ff.)

Die Auseinandersetzung mit diesen vom Autor sehr pointiert ausgearbeiteten Rechten ermöglicht den Lesenden eine Selbstreflexion bzw. -supervision der eigenen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster in professionellen Hilfskontexten. 

Mit dieser reichhaltigen theoretischen und konzeptionellen Rahmung im Gepäck kann es dann losgehen mit der Reise durch verschiedene methodische Landschaften, die Förster in den Folgekapiteln (II bis V) mit einem theoretisch wie praktisch hohem Auflösungsgrad kartografiert. Dabei erhalten die Lesenden ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit, und zwar durch eine transparente und gut nachvollziehbare thematische Struktur, die auch durch ihre symbolische Darstellung bei der Navigation durch das vielfältige Gelände hilft. Es ist möglich, sich auf theoretische oder praktische Abschnitte zu fokussieren, wobei ich empfehle, die Gesamtschau auf die dargebotenen Fälle und detaillierten Prozessbeschreibungen zu nutzen. Auf diese Weise entfaltet sich ein umfassender Eindruck von der Wirksamkeit der beschriebenen Vorgehensweisen. Wesentliche Elemente der einzelnen Fall- bzw. Methodenkapitel sind: Fallbeschreibung, Methode, Methodenleitfaden, prozessorientierte Anwendung, Begründung der jeweiligen Black-Box-Methode bzgl. des Falls, theoretische Verweise. 

Gerade auch die theoretische Fundierung mit Bezügen zu „Konstruktivismus, Autopoiese, Embodiment, Ressourcenarbeit, kontextabhängige Kreativität, Priming und Prozesswechseln“ (S. 213) unterscheidet diese Methodendarstellung von anderen Bänden. Hier stehen die Methoden nicht wie so häufig für sich, sondern sind systematisch eingebettet in einen übergreifenden Sinnhorizont, in dem sich professionelle Hilfe und Beratung im Sinne einer gleichermaßen zielführenden wie ethisch legitimierten Praxis positionieren sollte.       

Dieser Duktus erfährt in Kapitel VI („Gehen, um anzukommen“) eine konsequente Fortführung und zum Ende des Buches auch eine verantwortungsvolle Abrundung, indem Förster hier einige Randbedingungen thematisiert: Aggression und Suizid, „Psychosen“ und Stimmen hören, Prozessorientierung (S. 213ff.). Zudem bilanziert er einige „Aspekte der Einstellung, der Haltung und der Fähigkeiten“ (S. 218) für die Umsetzung der Black-Box-Methoden, darunter: „Vertrauen in Selbstorganisationsphänomene und co-kreative Prozesse“ (S. 219).

Fazit: Das Buch ist uneingeschränkt allen Personen zu empfehlen, die einen frischen Blick auf ihre Haltung und Praxis des Helfens wagen wollen. Es bietet vielfältige Impulse zur Selbst- und Methodenreflexion sowie -entwicklung.      

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