In ihrem Buch "Angewandte Improvisation für Coaches und Führungskräfte" bringt Susanne Schinko-Fischli ihre Erfahrung aus dem Improvisationstheater ins Coaching ein. Dieses übe darin, mit dem Unvorhergesehenen (lat. "improvus") umzugehen. Außerdem sei das Belohnungszentrum des Gehirns am stärksten durch eine positive Überraschung zu stimulieren.
Für die Weiterbildung in diesen Fragen dient David Kolbs erfahrungsbasierter Lernzyklus aus (1) mitgebrachter bisheriger Erfahrung, (2) Beobachtung und Reflexion, (3) neuer "Theorie"-Bildung und (4) deren aktiven Einsatz im Experiment.
Darüber hinaus geht es um eine bestimmte Grundhaltung. Wenn man auf der Bühne des Improvisationstheaters steht, sind bestimmte Maximen einzuhalten. Es geht um „Ja“ und nicht um "Nein" oder "Ja, aber", denn dann ist die Energie der Handlung sehr schnell raus. Genauso geht es darum, den anderen gut aussehen zu lassen ("Let your partner shine"), und nicht darum, sich selbst auf Kosten anderer in den Vordergrund zu stellen.
Zehn Gebote des Improvisierens, die ein deutlicher Aufruf zur Authentizität aber auch zur Verantwortung sind, schließen ab mit "Wenn dein Vertrauen tief ist, dein Geist schwach und dein Glück strapaziert, dann sei getröstet und lache, weil es einfach nichts macht." (S. 27)
Sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, nicht abhängig zu sein von seinen Plänen und Erwartungen, sondern das Einstellen auf den anderen und die Situation bilden einen Kern der Improvisation. Auch für die Teamarbeit kann angewandte Improvisation viele positive Ansatzpunkte bieten. "Improvisationstheater ist per se Teamarbeit, sogar wenn ein Spieler alleine auf der Bühne steht. Dann nämlich muss dieser mit dem Publikum zusammenarbeiten. Es entstehen auf der Bühne nur spannende Szenen und Geschichten, wenn die Spieler sich auf eine Interaktion einlassen und sich gegenseitig beeinflussen und inspirieren." (S. 37) Die Autorin sieht aber auch Grenzen für das Improvisationstheater, wenn es offene Konflikte oder große Spannungen im Team gibt. Angewandte Improvisation eigne sich bei Neuaufbau, Effizienz- und Klimaverbesserung und Ausschöpfung von kreativem Potenzial.
Kreativität und Status sind dann weitere Themen, die mit Methoden aus dem Improvisationstheater beantwortet werden können. Zwei Kapitel über Storytelling und Auftrittskompetenz runden das Buch ab.
Schinko-Fischli schlägt sehr viele interessante Übungen vor, wie man in sich selbst oder bei einem Coaching-Klienten den Improvisator entwickeln kann. In vielen Beispielen veranschaulicht sie fruchtbare und weniger fruchtbare Bezugnahmen von Menschen aufeinander und verdeutlicht ihre Arbeit mit praktisch durchgeführten Maßnahmen sehr konkret. Allerdings wirken einige Praxisbeispiele von Seminarausschreibungen und das jeweils angehängte zitierte "Kundenfeedback" einem Werbeblock zum Verwechseln ähnlich. Das Scheitern wird zwar als Darstellungsthema erwähnt, aber mit der eigenen Methode nicht in Zusammenhang gebracht.
Fazit: Insgesamt stellt Schinko-Fischli viel Inspirierendes für das kreative Arbeiten mit Einzelklienten und Teams vor. Insbesondere ein eher kognitiv und traditionell orientiertes Coaching-Verständnis erhält hier interessante Anregungen und Ergänzungshinweise. Coaching ist eine ressourcenorientierte Begleitung von Leben und sollte somit auch die spielerischen und kreativen Seiten deutlich miteinbeziehen.