Cover: Der große Coaching-Atlas. Schlüsselkonzepte für effektives Coaching: was wirklich funktioniert. Kirchzarten: Vak.
Joseph O'Connor, Andrea Lages

Der große Coaching-Atlas. Schlüsselkonzepte für effektives Coaching: was wirklich funktioniert. Kirchzarten: Vak.

Rezension von Professor Dr. Harald Geißler

3 Min.

Man muss es den beiden Autoren zugutehalten: Der hohe Erwartungen weckende Titel des Buches stammt nicht von ihnen, sondern vom Verlag. Der Originaltitel des 2007 erschienenen englischsprachigen Buches lautet: "How coaching works. The essential guide to the history and practice of effective coaching.” Gleichwohl: Die deutsche Übersetzung trifft die grundsätzliche Haltung der Autoren, nämlich mit hohen Erwartungen viel Aufmerksamkeit zu erregen, auch wenn es nicht gelingt, jene Erwartungen niveauvoll zu erfüllen.
Im Mittelpunkt des Buches steht, so die Autoren, die "Suche nach der Essenz, nach der ‚Seele’ des Coachings" (S. 7), - eine Suche, die sie zu einer ideengeschichtlichen Rekonstruktion zugrunde liegender Basismodelle und Schlüsselkonzepte, wie es im Titel des Buches heißt, veranlasst. Ein solches Vorhaben verdient zunächst einmal unbedingte Anerkennung. Denn die meisten Autoren kennen oder beachten die ideengeschichtlichen Hintergründe von Coaching wenig und vermitteln den Eindruck, als sei Coaching etwas Neues ohne Vorgeschichte oder etwas gänzlich Originelles ohne Einbindung in andere Zusammenhänge.
Das interessanteste und niveauvollste Kapitel ist das zweite. Es rekonstruiert die Anfänge von Coaching mit Bezug auf Persönlichkeiten und Institutionen, die sich im Sporttraining - und zwar speziell im Tennistraining - einen Namen gemacht haben. Zu erwähnen ist hier Timothy Gallwey und sein 1974 erschienenes Buch "The Inner Game of Tennis" sowie das Esalen-Sportinstitut, ein Zentrum für humanistische Psychologie, an dem 1971 Gallweys Tennissschüler Werner Erhard ein Bewusstseinstraining für Großgruppen mit dem Namen EST einführte. Es wurde später unter dem Namen "The Landmark Forum. Landmark Education" vermarktet und sein ursprünglicher Finanzchef, Thomas Leonard, den die Autoren für die wichtigste Persönlichkeit in der Entstehungsgeschichte von Coaching halten (S. 31), erkannte schnell, dass diese Großgruppenmethode auch für die Einzelberatung gut geeignet ist. Seit 1988 führte er deshalb Kurse mit dem Titel "Design Your Life" durch, gründete im Folgejahr das "College for Life Planning" und rief 1994, nachdem Coaching - so die Autoren - ab
1992-93 in der Wirtschaft erste grundlegende Akzeptanz gefunden hatte, die International Coaching Federation (ICF) ins Leben. Auf diese Weise erreichte Coaching um 1995 seinen "Umkipp-Punkt" (S. 34), also den kritischen Punkt, an dem es anschließend steil bergauf ging.
Die ideengeschichtlichen Wurzeln dieser Entwicklung sind nach Auffassung der Autoren die Humanistische Psychologie, die östliche Philosophie, der Konstruktivismus und neuere Untersuchungen zur Sprache. Sie bilden die Grundlage für die - leider nicht sehr niveauvoll durchgeführte - ideengeschichtliche Rekonstruktion von sechs Modellen. Das erste subsumiert das "Inner Game" des Tennistrainers Timothy Gallwey, das 1992 veröffentlichte GROW-Modell des Profirennfahrers John Whitmore und das sogenannte coaktive Coaching, das Laura Whitmorth, Henry Kimsey-House und Phil Sandahl 1998 veröffentlichten. Ein zweites Modell, das, wie die Autoren auch zugeben, eigentlich gar kein Coaching-Modell, sondern eine von ihnen vorgenommene praxisorientierte Übertragung der philosophischen Schriften von Ken Wilber auf Coaching ist, nennen sie - etwas eigenwillig - "integrales Coaching". Weitere sogenannte Modelle sind Coaching mit NLP, Coaching mit der Positiven Psychologie und Verhaltens-Coaching. Das sechste Modell ist das von den Autoren so bezeichnete "ontologische Coaching", also Coaching auf der Grundlage des radikalen oder operativen Konstruktivismus. Diese sechs Modelle werden im zehnten Kapitel wenig originell zu einem "integrierten Modell" vereint.
Nicht minder enttäuschend ist schließlich auch der dritte Teil, - und zwar insbesondere das elfte Kapitel, dessen Überschrift lautet: "Wie man die Ergebnisse des Coachings messen kann". Denn ähnlich wie im zweiten Teil gelingt es auch hier den Autoren nicht, ihre hochgesteckten Ansprüche hinreichend zu erfüllen.

Professor Dr. Harald Geißler

Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
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