Man fragt sich schon, worum es in einem Sachbuch mit dem Titel "Heldenprinzip" gehen soll, dessen Untertitel einen "Kompass für Innovation und Wandel" verspricht. Es entpuppt sich als Ergebnispublikation zum Forschungsprojekt "Innovationsdramaturgie nach dem Heldenprinzip" des Zentralinstituts für Weiterbildung der Universität der Künste Berlin, der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und verschiedener Berliner Unternehmen - gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Es geht um die Erforschung von Veränderungsprozessen in Organisationen und Unternehmen und als Ergebnis beschreibt das Buch eine im kollektiven Gedächtnis verankerte universale Ablaufstruktur von Veränderungsvorgängen - oder, um es in der allegorischen "Heldensprache" auszudrücken - die "universale Dramaturgie, die den charakteristischen Verlauf von Transformationsprozessen abbildet" (S. 8). Genau das macht das Buch für die Arbeit von Coaches, Beratern und Trainern interessant.
Forschungsgrundlage für das Projekt bildet u.a. die wissenschaftliche Arbeit des Mythen-Forschers
Joseph Campbell (1904-1987), dessen "Monomythos" im ersten Teil des Buches von der Mythologie- in die Arbeitswelt überführt wird. Campbells analysierte Helden aus Legenden, Geschichten und Erzählungen durchlaufen prinzipiell die gleichen archetypischen Muster in ihrer Heldenreise wie die Helden der heutigen, ständig Veränderungen gegenüberstehenden Arbeitswelt. In beiden Fällen sind die Helden diejenigen, die ihnen bekanntes Umfeld verlassen und Ungewohntes betreten wollen, sollen oder müssen - egal ob Mensch, Team oder Organisation.
Diese "Dramaturgie" der Transformation, deren Hauptetappen dann als "Aufbruch", "Abenteuer" und "Rückkehr" bezeichnet werden, wird im zweiten Teil intelligent beschrieben. Hier erfährt der Leser Charakter, Nutzen und Aufgabe der Etappen, jeweils mit Beispielen und einer Begleitsequenz aus der Beratungspraxis. Dabei wird stets der Blick auf das große Ganze - die Heldenreise von Anfang bis Ende, vom Gewohnten zum Ungewohnten bis es wieder gewohnt wird - beibehalten.
Eines darf der Leser dieses Buches erwarten: Heldengeschichten! Im gesamten Band begegnet man so unterschiedlichen Protagonisten von Veränderungsprozessen wie Perseus (griech. Mythologie), dem Froschkönig, Morpheus (Film "Matrix"), dem Personalleiter eines Call-Centers oder einem internationalen Maschinenbauunternehmen.
Menschen, die der symbolreichen Allegorie-Welt zugetan sind und auf wissenschaftliche Rationalität trotzdem nicht verzichten wollen, können aus dem Heldenprinzip grundlegende Anregungen für die Arbeit mit und in Change-Prozessen ziehen. Für eben diese Zielgruppe ist das Heldenprinzip auch gedacht.
Gestalterisch bietet das Buch zudem kreative Formate wie dem "Randgekritzel" oder einem fiktiven Pärchen, das den Leser bei der Lektüre begleitet und dialogisch den Inhalt der Seiten kommentiert. Man hat das Gefühl, man liest das Buch nicht allein, was es unheimlich, gewöhnungsbedürftig und interessant zugleich macht.
Fazit: Ob Coach oder Laie - es macht Spaß das Buch zu entdecken und die universelle Quintessenz der legendären und arbeitsweltlichen Heldenreisen verstehen zu lernen.
Anne Waldow
Redaktion Coaching-Report