Cover: Inner Game Coaching. Warum Erfahrungen der beste Lehrmeister sind.
W. Timothy Gallwey

Inner Game Coaching. Warum Erfahrungen der beste Lehrmeister sind.

Rezension von Dr. Michael Loebbert

4 Min.

"Denn nicht die Überfülle des Wissens sättigt und befriedigt die Seele, sondern das Spüren und Verkosten der Wahrheit selbst im Inneren" (Ignatius von Loyola, Exerzitien, zweite Vorbemerkung). - Dies sei hier zitiert, um die Flughöhe zu veranschaulichen, die Tim Gallwey vorschlägt, um Coaching zu verorten.
In der englischsprachigen Welt gilt Tim Gallwey als ein Gründervater für Coaching im professionellen Kontext. Sein Buch "The Inner Game of Tennis" erschien 1974. Von dort aus verbreitete die von ihm beschriebene Trainingsmethode "Coaching" sich zunächst im Sport und dann ziemlich schnell auch als Geschäfts-Coaching, Gesundheits-Coaching und Lern-Coaching. - Man denke an einen Tennisspieler, der endlich lernen will, eine passable Vorhand zu schlagen. Muss der reche Fuß oder der linke Fuß nach vorne? Wie weit sollte der Schläger nach hinten weisen? Was ist genau die richtige Stellung der rechten Schulter? An welcher Stelle der Flugbahn sollte der Ball genau getroffen werden? Ein Spieler, dessen innerer Dialog so abläuft, verkrampft. Tim Gallwey schlägt vor: Vergiss die Anweisungen und konzentriere dich auf den Ball! Wie kommt er angeflogen? In welchem Winkel? Wie schnell? Und dann schlag ihn einfach übers Netz, dahin, wohin du willst.
Soviel zur "Geburtsstunde" von Coaching. Aufmerksamkeit (Awareness), Vertrauen (Trust), Wahl (Choice): nicht wertende Aufmerksamkeit auf meine Herausforderung und ihre kritischen Erfolgsfaktoren; Vertrauen in mich selbst, meine Fähigkeiten und Ressourcen; Verantwortung und Freiheit zu entscheiden, was ich lernen will. Seine Beobachtung und Erfahrung als Tennistrainer fasst Tim Gallwey in der Unterscheidung eines "Selbst 1", welches fremdbestimmte Anweisungen und Rezepte vorgibt, und eines "Selbst 2" zusammen, das natürliche Selbst, welches sich ausdrücken und verwirklichen will. Die Unterscheidung ist vielleicht ein bisschen metaphysisch, bewährt sich aber ganz gut in der Praxis: Kurz nach dem Erscheinen seines Tennisbuchs wird Gallwey zu einer bekannten Telefonfirma der USA gerufen. Das Monopol sollte fallen, das Unternehmen musste sich vom Administrator zum Dienstleister entwickeln. Gallwey erzählte den Managern ein wenig von seiner Tennisplatzerfahrung. Folge: Man hörte auf, Mitarbeitende mit dem Quotienten der Kundenzufriedenheit unter Druck zu setzen. Zunächst wurde die Aufmerksamkeit gezielt verändert: Was sagt der Kunde genau? Was hört man in seiner Stimme? Wie mag es ihm/ihr wohl gehen? Dazu kam das Vertrauen in die Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens, die Wende zu schaffen, und letztlich der wirkliche Respekt vor der neuen Wahlfreiheit der Kunden.
Das innere Spiel "Inner Game" von Selbst 1 und Selbst 2 beschreibt Tim Gallwey als den Weg zur Selbstbestimmung, Minimierung der "Störungen" von Selbst 1, das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, gibt den Raum, ein Leben zu führen, so wie man es will. Arbeitsleistung verbindet sich ganz natürlich mit Lernen und Freude, wenn man der Herausforderung seiner Selbstbestimmung folgt. Das innere Spiel wird zum Lebenstanz. Spitzenleistung entsteht nicht durch äußeren Druck, sondern durch innere Vervollkommnung. Darum geht es bei Coaching, um die Verwirklichung von Selbstbestimmung. Und darin ordnet sich Gallwey ein in die große Tradition abend- und morgenländischer Lebenslehrer in der Verbindung von äußerer Leistung und innerem Wachstum durch die Verbindung der Freiheit. Und in seiner Auffassung vom Spiel erinnert er an Friedrich Schillers bekannten Satz: "Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."
Klar, wenn es ein Buch für Coachs als "Muss" zu empfehlen gibt, dann dieses über das "Innere Spiel der Arbeit" (so etwa der englische Titel). Und wahrscheinlich ist der Rezensent nicht der Einzige, der dem Verleger Frank Pyko dankt, der mit der einfühlsamen und kundigen Übersetzung von Roswitha Menke diesen Grundtext in deutscher Sprache zur Verfügung stellt.

Dr. Michael Loebbert

Programmleiter Coaching Studies FHNW – Fachhochschule Nordwestschweiz
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