Cover: Narzissten, Egomanen, Psychopathen in der Führungsetage. Fallbeispiele und Lösungswege für ein wirksames Management.
Gerhard Dammann

Narzissten, Egomanen, Psychopathen in der Führungsetage. Fallbeispiele und Lösungswege für ein wirksames Management.

Rezension von Dr. Klaus Stulle

4 Min.

Der Autor fühlt sich vorwiegend der Position der "psychodynamischen Organisationsberatung" verpflichtet. Dies hat maßgebliche Auswirkungen auf das Werk. Schließlich ist der Autor Psychologe und Facharzt mit einem klar klinischen Hintergrund und psychoanalytischer Ausbildung.

In den ersten Kapiteln erfährt der Leser einiges Wissenswerte über das Konzept des Narzissmus. Es geht um die in Grenzfällen schwierige Abgrenzung des Kontinuums von gesundem Selbstbewusstsein bis hin zu pathologischer Selbstverliebtheit mit destruktiven Elementen. Aus psychiatrischer Sicht kann von Narzissmus die Rede sein, wenn mindestens fünf der neun Merkmale erfüllt sind: Übertriebenes Selbstwertgefühl; Ständige Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe; Die Ansicht, als Mensch besonders und einzigartig zu sein und deshalb nur von besonderen Menschen (etwa mit höherem Status) verstanden zu werden und mit solchen verkehren zu wollen; Ständiges Verlangen nach Bewunderung; Anspruchsdenken; Zwischenmenschliche Beziehungen werden ausgenützt, um die eigenen Ziele zu erreichen; Mangel an Einfühlungsvermögen; Neid auf andere oder sich beneidet fühlen; Arrogantes, überhebliches Verhalten.

Der Autor weist darauf hin, dass etliche dieser Eigenschaften die Karriere in Wirtschaftsunternehmen - zumindest anfänglich - eher begünstigen als verhindern. Er thematisiert dann ausführlich, wie in der Arbeitspraxis das Zusammenspiel von Führern und Geführten ein Wechselbad zwischen "Hosianna!" und "Kreuzige ihn!" möglicht macht. Denn es besteht die Gefahr, dass der zunächst gefeierte "Messias" beim Ausbleiben von Erfolg von seinem Sessel gejagt wird.

Das folgende Kapitel mit der Überschrift "Soziale Macht, Machiavellismus und Narzissmus" geht dann Konzepten wie der "Charismatischen Führung" nach und betrachtet u.a. die Mythen und Attribute, die neben Filmstars und Popmusikern zunehmend auch Wirtschaftsgrößen zugeschrieben werden, wie so oft ist auch hier der Name "Jack Welch" ein überzeugendes Bespiel.

Auch wenn die Grenze zwischen gesundem und übermäßigen Narzissmus als fließend angesehen werden kann, gilt es doch als unbestritten, dass in den Führungsetagen übermäßig viele Psychopathen angesiedelt sind, was bis hin zu Wirtschaftskriminalität reichen kann. Im Text werden etliche Studien zu solchen "Nieten in Nadelstreifen" zitiert. Gegenmodelle wurden u.a. von Jim Collins erforscht, der persönliche Bescheidenheit als zentralen Erfolgsgarant mit wissenschaftlichen Kriterien belegen konnte.

Angesichts der hohen Fluktuation auf den Sesseln der Vorstandsvorsitzenden scheinen Grossunternehmen nach Ansicht des Verfassers wieder stärker internen Bewerbern Gewicht geben zu wollen. Die Zeit der "Retter" ist vorbei. Auch werden Chefallüren oder andere "Sonnenkönig"-Ambitionen immer weniger toleriert.

Bislang dominierte die deskriptive Darstellungsweise im Buch. Kommen wir zu den versprochenen Lösungswegen: Angelehnt an die psychodynamische Organisationsberatung werden verschiedene Ansätze thematisiert, womit die beschriebenen Erkenntnisse in der Arbeitsrealität Berücksichtigung finden können: Die Situation erkennen; Im Assessment-Prozess gezielt nach psychopathologischen Verhaltensweise Ausschau halten; Moral und Ethik, Demut und Authentizität als Bewertungskriterien zulassen/verankern; Gezieltes Coaching/Gruppeninterventionen; Im Rahmen von Führungskräftetraining vermehrt auf den Missbrauch von Macht hinweisen; Compliance Officer einführen und die Corporate Governance stärker beherzigen; Feedback und Selbstreflexion stimulieren.

Damit bekommt das Werk zwischenzeitlich einen etwas stärker pragmatischen Charakter, gleichwohl dominiert auch hier eine distanziert-deskriptive Darstellungsweise. Von den versprochenen "Lösungswegen" für ein wirksames Management bleibt das Buch doch ein gutes Stück entfernt.

Es fällt leicht, sich den Autor als ungemein belesenen und kultivierten Fachmann vorzustellen, der offensichtlich mehr auf psychologisch-medizinischem Umfeld tätig ist als tatsächlich in der Wirtschaft. Allerdings werden viele seiner Klienten dort tätig sein, so dass ihm ein Verständnis der Industrie nicht abgesprochen werden kann. Der Text ist anspruchsvoll, nahezu wissenschaftlich geschrieben mit vielen Literaturangaben, die sich letztlich, eng gedruckt, auf 44 Seiten Anmerkungen aufsummieren. So eignet sich das Werk kaum als "Nachttisch-" oder "Schmunzellektüre" - ganz im Gegensatz zum Beispiel zu "Und morgen bringe ich ihn um", den Enthüllungen einer Chefsekretärin als Bestseller. Hier wird das Thema "Narzissmus von Führungskräften" ganz anders, aber auch nicht weniger anschaulich illustriert.

Dr. Klaus Stulle

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