Cover: New Work Utopia: Die Zukunftsvision einer Organisation in einer besseren Arbeitswelt
Carsten Christoph Schermuly

New Work Utopia: Die Zukunftsvision einer Organisation in einer besseren Arbeitswelt

Rezension von Jan-Christoph Horn

3 Min.

Kann man für die Utopie einer anderen Lebens- und Arbeitswelt den Kopf verlieren? Man kann, wie Carsten C. Schermuly mit seiner Widmung des Buches an Thomas Morus markiert. Dieser, so führt der Autor aus, war englischer Politiker des 16. Jahrhunderts, der in einer erzählerischen Abhandlung die Insel „Utopia“ und auf dieser eine andere Weise des Lebens und Arbeitens darstellte, was als massive Systemkritik verstanden wurde. U.a. deswegen wurde Morus geköpft. 

Wer sich herauswagt und die Dinge mal anders denkt, riskiert also etwas. Die Beschreibung einer Utopie – eines Ortes, dessen Wirklichkeit lediglich angenommen wird – ist nicht nur unverfänglich, weil die Reaktionen darauf in der „echten“ Welt erfolgen. 

Es ist ein kluger und gelungener Schachzug des Autors, das Prinzip einer utopischen Beschreibung für das, was New Work sein möchte, zu übernehmen. Es gibt genügend hochglanzbroschierte Selbstdarstellungen von Unternehmen, die sich als New-Work-Unternehmen sehen. Es gibt auch genügend Methoden- und Strategieratgeber, die den ultimativ-erfolgreichen Weg dorthin zu zeigen meinen. 

Das schmale, gut zugängliche, flüssig geschriebene Buch stellt das utopische Unternehmen Stärkande vor und arbeitet 22 Axiome durch, die dort Anwendung finden. Und dies auf eine narrativ so gelungene Weise, dass man kaum glauben mag, dass das alles nur ausgedacht ist. Die einzelnen Kapitel – z.B. über sinnstiftende Teamarbeit, Organisation als Kommunikation, Führung als Leadership, transparente Bücher und Gehälter etc. – sind kompakt und erschließen sich aufgrund ihres konkreten Bezugs auf Stärkande gut. 

Der Vorteil der Utopie ist die Annahme einer anderen Realität, ohne den Weg dorthin begründen zu müssen. Stärkande ist einfach so, wie es ist. Punkt. Spannungen in Übergängen vom „Jetzt“ werden genauso wenig thematisiert wie die Verheißung des „Dort“ überzeichnet wird. Das ist für einen unverstellten Blick auf das gemeinte Normale sehr hilfreich. 

Wie bei Morus geht es bei alledem nicht einfach um einen Traum. Der Buchuntertitel „Zukunftsvision“ passt deswegen nicht so recht. Eine Utopie verweist nicht auf eine vor uns liegende Zukunft, sondern stellt andere Basisprämissen als gegeben dar. Wie bei Morus‘ „Utopia“ verbindet sich die Utopie von New Work mit einem (wirtschafts-)politischen Anspruch: New Work ist nicht nur funktionierender Trend, sondern eine gesamtgesellschaftliche Ausrichtung. Das schwedische Wort „Stärkande“ (deutsch: stärkend, bekräftigend, unterstützend) – der Familienname der Gründerinnen – signalisiert das. Auch das macht diese Einführung bemerkenswert. 

Das Buch bietet mannigfaltige Reflexionsimpulse für New Work. So ist z.B. interessant, dass die Unternehmensfelder von Stärkande aus Selbstbedarf entstanden sind: Was stellen sich uns für unternehmerische Herausforderungen und können wir daraus ein Geschäftsfeld machen? Statt Abblendung also konsequentes Insourcing. Interessant ist auch, dass organisationales Lernen keines der Axiome ist, sondern in die Rahmenhandlung verlegt ist. Stärkande verändert sich kontinuierlich, das muss nicht extra betont werden.

Fazit: Das Buch ist eine durch und durch empfehlenswerte Einführung in New Work. Es gesellt sich gut zu den New-Work-Klassikern von Frédéric Laloux sowie Bernd Oestereich und Claudia Schröder. Empfehlung!

Jan-Christoph Horn

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