Vor Kurzem erst haben Alica Ryba und Gerhard Roth mit der neurowissenschaftlichen Brille auf diverse psychotherapeutische Schulen geschaut und bewertet, ob diese den aktuellen wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht und damit für Anwendung in Coaching und Beratung empfohlen werden können. Das Fazit war eindeutig und für die etablierten Klassiker in der Psychotherapie ein herber Schlag: Denn, so Ryba und Roth: Reden (alleine) reicht nicht! Interventionen müssen auf drei Ebenen ansetzen: der subjektiven Befindlichkeit, dem Verhalten und der Körperlichkeit.
Die gute Nachricht: Es gibt längst Ansätze, die auf mindestens zwei Ebenen agieren. Neben dem Generativen Coaching und der Skriptanalyse (Transaktionsanalyse) sind es Emotionsfokussiertes sowie Körperzentriertes Coaching. Ein Ansatz, der diesen Anforderungen genügt, ist das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®). Ein anderer Ansatz ist das bislang noch weniger bekannte – auch von Ryba und Roth noch nicht beachtete – Strategische Coaching, dass Gernot Hauke, Christina Lohr und Tania Pietrzak in der Tradition von Serge Sulz entwickelt haben. Das vorliegende Buch liefert eine tiefe und praktische Einführung in diesen Ansatz.
Strategisch heißt dieser Ansatz, weil er an der „emotionalen Überlebensstrategie“ ansetzt. Erleben und Verhalten eines Menschen werden individuell verständlich als Funktion seiner Strategie, die seiner Bedürfnisbefriedigung dient und zentrale Ängste kontrolliert. Deshalb werden von ihm spezifische Verhaltensweisen praktiziert und „verbotene“ Affekte unterdrückt. Solche Überlebensstrategien sind Resultate der individuellen Lerngeschichte: Sie rasten unbewusst – vor allem unter Stress – ein und führen zum Erleben von Inkongruenz.
Mit dem ZRM® hat das Strategische Coaching gemeinsam, dass der Zugang zum Unbewussten über Emotionen und das körperliche Erleben (Embodiment) verläuft. Das ist intensiv – und die Lektüre des Buchs kann davon auch nur eine Ahnung vermitteln. Hilfreich ist – neben der Aufarbeitung des theoretischen Hintergrunds – die Darstellung der Methode an zahlreichen Fallbeispielen. Es beginnt mit dem Herstellen des Körperfokus durch Achtsamkeit. Das Thema wird mittels einer konkreten Situation erfasst. Emotionsmuster (Körperhaltung, Mimik, Gestik, Atem, Stimme) werden dann räumlich dargestellt und bearbeitet. Dabei werden gezielt Ressourcen aktiviert, z.B. verkörpern Werte Haltungsziele. Um von der Überlebensstrategie zur Lebensstrategie zu kommen, ist die Unterscheidung primärer und sekundärer Emotionen wichtig. Der Klient kann lernen, seine Emotionen wahrzunehmen und differenzierter sowie flexibler zu reagieren. Dies vergrößert den Möglichkeitsraum – insbesondere für Führungskräfte, worauf die Autoren zum Schluss gezielt eingehen.
Fazit: Dieses Buch reiht sich ein in die Gruppe der zukunftsträchtigen Coaching-Methoden, die Coaches unbedingt erlernen sollten.