Inzwischen gibt es eine ganze Reihe an Tool-Büchern: Change-Tools, Solution-Tools, Coaching-Tools - davon sogar zwei Bände. Und diese Bücher verkaufen sich ungeheuer gut. Coaching-Tools I ist inzwischen mehr als 10.000 Mal über den Ladentisch gegangen. Warum jetzt auch noch Supervisions-Tools? Weil ein solches in der Reihe der aufgezählten Bände fehlt, so die Autorin. "Weil sich Supervision derzeit in einer Phase befindet, die es sinnvoll macht, Supervision wieder stärker in die Aufmerksamkeit des Beratungsmarktes zu bringen. Weil sich Supervision neben anderen Beratungsformaten deutlich profilieren und positionieren muss."
Die Reaktionen von Lesern auf ein solches Bekenntnis mögen unterschiedlich ausfallen: Neben einem emphatischen "Ja" sind ebenso heftige Schläge mit der flachen Hand vor die Stirne, gequältes Augenverdrehen, lässiges Schmunzeln oder sogar entspanntes Gähnen vorstellbar. - Je nach Standpunkt und Vorerfahrung. Herausgeberin Neumann-Wirsig jedenfalls wird nicht müde, in ihrer Einleitung die Supervision als "verborgenen Schatz" zu würdigen und abzugrenzen; vom Coaching beispielsweise. Das mag den einen oder anderen interessieren, auch in der historischen und methodischen Perspektive. Es ist aber eine inzwischen alte Diskussion, die etlichen sicher eher wie die Diskussion "um des Kaisers Bart" anmuten mag.
Interessanter und anregender ist hingegen der folgende Inhalt: Freundlicherweise startet das Buch mit einer Übersichtstabelle. Hier wird die Struktur des Buchs - über das Inhaltsverzeichnis hinausgehend - erschlossen, indem die Tools nicht nur einzelnen Phasen, sondern auch den Settings Einzel-, Gruppen- und Teamsupervision zugeordnet werden. Jeder Teil des Buchs, es gibt davon vier (Einstieg, Themenfindung, Intervention, Auswerten) startet ebenfalls mit einem Überblick in Form von Summaries. Auch das ist hilfreich, dient es doch der schnellen Orientierung. Suche ich beispielsweise Hände ringend nach einer neuen Einstiegsintervention, wird mir hier eine Auswahl an neun Tools präsentiert. So kann ich gezielt auf einzelne Tools zugreifen und mich entscheiden. Die Buchteile sind zudem weiter in Unterkapitel unterteilt. Teil 1, der Einstieg, bringt zunächst fünf Tools unter der Überschrift "Ankommen und kennenlernen", um dann unter der Überschrift "Übergänge gestalten" weitere vier Tools aufzureihen. Das ist praktisch.
Die einzelnen Tools sind ebenfalls klar gegliedert: Nach einer Kurzbeschreibung zur schnellen Orientierung folgt ein Abschnitt über Anwendungsbereiche, dann werden Zielsetzungen fokussiert. Erst dann geht es an die ausführliche Beschreibung, die das konkrete Vorgehen Schritt für Schritt darlegt. Zum Schluss werden in einem weiteren Abschnitt Voraussetzungen und Kenntnisse dessen angesprochen, der die Tools anwenden möchte. Es folgen möglicherweise Kommentare zu Besonderheiten oder Vorschläge für Varianten. Quellen oder Literatur sowie technische Hinweise runden als Abschnitte die Darstellung des Tools ab. Auch das eine runde Sache, die wir aus anderen Büchern, wie beispielsweise den Coaching-Tools schon kennen.
Mit den Supervisions-Tools kann der Anwender in der Tat auf einen schönen Schatz an Methoden und Settings zugreifen, was in der praktischen Arbeit sicher hilfreich ist. Dabei werden schon erfundene "Räder" nicht neu erfunden. Im Gegenteil: Durch das Buch ziehen sich in Abwandlungen bekannte Interventionsmethoden vom Beginn psychotherapeutischer Methodenbildung, beispielsweise das psychodramatische Handwerkszeug Levi Morenos, über gruppendynamische Ansätze Kurt Lewins bis hin zur Arbeit mit Skulpturen à la Virginia Satir oder zum Reflecting Team von Tom Andersen. Immer wieder wird mit Metaphern gearbeitet, mit projektiven Methoden und so weiter. Eigentlich fehlt ein Register, das das Buch dahingehend aufschlüsselt. Die Tools sind aber eigenständige, und immer wieder auch eigenwillige Abwandlungen, Neuinterpretationen oder Kombinationen dieser altbewährten Methoden. Sie werden handhabbar gemacht und systematisch dargestellt, vergleichbar einem Medikamentenbeipackzettel.
Wenn wir bei dieser Metapher bleiben, sollte eigentlich der Punkt "Risiken und Nebenwirkungen" nicht fehlen. Auch das Stichwort "Dosis" wäre sicher nicht fehl am Platz. Für Coaching-Praktiker ist ja nicht nur interessant, dass wir im Coaching eben seltener auf ein Gruppensetting zugreifen können (man könnte durchaus meinen, für Supervision sei das schon die "halbe Miete"), sondern eben auch, dass wir in der Regel nicht "alle Zeit der Welt" haben. Schaut man sich das eine oder andere Supervisions-Tool an, könnte einem schon hier und da der Gedanke kommen: Typisch Supervision
(typisch Wohlfahrtsmilieu?) das zieht sich, das dauert, das geht bis in den Bereich der Privatsphäre und der Persönlichkeit hinein - zu extensiv für uns. Coachs werden also immer auch prüfen müssen, ob die Tools in ihr Setting passen. Woraus man nun durchaus - ganz im Sinne der Herausgeberin - einen Unterschied zwischen Coaching und Supervision ableiten könnte. Vielleicht könnte dann ja eine Definition diese sein: Supervision als Coaching the Coach.
Auffällig ist, dass unter Quellen häufig "unbekannt" erscheint oder auf eine "orale Tradition" verwiesen wird. Offenbar werden Supervisionsformate in Ausbildungssituationen weitergegeben und wandern so von Hand zu Hand, von Mund zu Mund. Bis dann schlussendlich einer seinen Namen drunter setzt. Auch das wäre vielleicht ein Unterschied zur Coaching-Szene. Dazu passen könnte, dass die Supervisionsszene - dieses Buch verfügt auch über ein ausführliches Autorenverzeichnis - weniger durch Stars geprägt ist. Andererseits mag man ein wenig zweifeln an dieser Interpretation: Sind nicht seit den 70er Jahren ähnliche Methodensammlungen, beispielsweise die von Klaus Vopel, in Umlauf und beliebt? Warum dann das Problem mit der Urheberschaft?
Insgesamt ist der Herausgeberin ein schönes Handbuch gelungen, das sicher über die Zielgruppe der Supervisoren hinaus weitere beraterisch Tätige als auch Ausbilder (bis hin zu Lehrern) ansprechen wird.