Peter Hawkins ist Professor Emeritus der Henley Business School (UK) und Vorstand der Renewal Associates in Bath. Seine substanziellen Beiträge zu den Themen Team-Coaching, Coaching-Kultur und Coaching-Supervision machen ihn zu einem profilierten Vertreter der weltweiten Entwicklung der Theorie und Praxis von Coaching in den letzten 25 Jahren. Mit der Einführung der Perspektive der Schönheit möchte er Führungskräfte und Coaches bei der Transformation des menschlichen Bewusstseins von seiner Einengung und „Schrumpfung“ zu einer umfassenden „Heilung“ begleiten.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Kapitel des ersten Teils zeichnet Hawkins ein Szenario der Weltplagen von der Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung über zunehmende gesellschaftliche Ungleichheit bis zum Mangel an Zusammenarbeit. Der Zusammenhang sei, so Hawkins, ein systemischer der wechselweisen Abhängigkeit und Verstärkung. Das zweite Kapitel des ersten Teils thematisiert die „Schrumpfung und Gefangenschaft des menschlichen Bewusstseins“ als Dominanz der linken Hirnfunktion (Analyse) über die Kreativität der rechten. Im dritten Kapitel soll die Schönheit die Rolle einer Orientierung für die „Rückreise“ zu einem ursprünglich integrierten und heilen Bewusstsein übernehmen.
Interessant ist der Rückgriff auf das Praxisbeispiel, wie Coaching-Klientinnen sichtlich gestärkt und mit Vorsätzen versehen aus einer Coaching-Sitzung hinausgehen, aber dann berichten, dass sie nichts davon umgesetzt haben. Hawkins führt seine Hypothese, dass die passenden sinnlichen Anker fehlen, leider nur kurz (S. 36) aus. Im Anschluss werden unterschiedliche Theoriebildungen aus der Philosophie (Descartes, Whitehead, Bateson) aneinandergereiht und die drei Ausprägungen der Schönheit nach François Cheng referiert.
Im Kapitel 4 sollen dann bisherige Vorstellungen von Leadership und Coaching einer systemischen Revision unterzogen werden. Einen logischen Zusammenhang zum Kapitel 3, wie die Perspektive der Schönheit darüber hinausgeht, hat der Rezensent nicht gefunden.
Der zweite Teil des Buches (S. 63) trägt die poetische Überschrift „zur Schönheit erwachen“. Schönheit im Verhältnis zur Liebe, zur Wahrheit, zum Guten, zur Ethik und Ästhetik, zum Tod, zum Sterben und zur Gnade versucht eine neuplatonische Systematik abzuarbeiten. Von Albert Schweitzer bis Buddha werden Personen der Geistesgeschichte ins Feld geführt. Das ist ein Schatz an Zitaten. Allerdings mehr als einen assoziativen Zusammenhang mit der Themenstellung von Hawkins hat der Rezensent nicht gefunden.
Im dritten Teil (S. 145) möchte der Autor Schönheit als Praxis „Doing the Beautiful“ darstellen. Mit Meditationsübungen, spiritueller Praxis, der Verbindung von Gegensätzen, Ko-Kreation und Inter-Poesis werden klassische Erfahrungen der mystischen Philosophie und Theologie kurz referiert. Eine Praxis der Schönheit, sei es als mystischem Übungs- oder ästhetischem Bildungsweg, wird nicht ausgeführt.
Der vierte Teil des Buches („Zurück nach Eins – Schönheit Werden“) ist im Verhältnis zur Gesamtseitenzahl mit 13 Seiten kurz. Es werden Beispiele für (mystische) Praktiken der Schönheit aus Meditation und Gärtnern angesprochen. Der letzte Abschnitt „ein neues Sakrament“ ist ein mit Zitaten gespickter Hymnus an den von Hawkins so genannten Öko-Humanismus.
Zugegeben, der Rezensent tut sich mit einer angemessenen Würdigung des Buches von einem der Vorreiter systemtheoretisch informierten Arbeitens in der Beratung schwer. Einen Einstieg finden aber sicherlich Personen, die es für werthalten, auch esoterische Konzepte und Argumente auf den Prüfstand der Nützlichkeit für die Reflexion und Theoriebildung im Coaching zu legen. Und da sind Coaches einiges gewohnt. In diesem Sinne hat sich der Rezensent entschieden, das Buch als eine Schule kritischer Unterscheidung zu lesen. In der Auseinandersetzung mit einer fachlichen Autorität für Coaching kann sich das auch für Lesende lohnen. Mindestens sollte es als Anregung dienen, das Konzept der Schönheit als transformative Kraft im Coaching weiter für die eigene Reflexion in Betracht zu ziehen und vielleicht auch weiterzuentwickeln.
Fazit: Für Coaches, die ihre Konzepte weiterentwickeln und erweitern wollen, bietet die Lektüre des Buchs eine beispielhafte Auseinandersetzung mit esoterischen Argumentationsfiguren und ihrem möglichen Nutzen für die Praxis.
Dr. Michael Loebbert
Beraten im Dialog
www.mloebbert.com