Cover: Beratung in Bewegung. Praxisbuch für Coaching und Therapie in der Natur
Johann-Friedrich Weber, Eva Istas

Beratung in Bewegung. Praxisbuch für Coaching und Therapie in der Natur

Rezension von Torsten Ferge

4 Min.

Als ich 2018 durch Spanien wanderte, begegnete mir Thomas, ein Pilger auf dem Jakobsweg. Er überraschte mich mit seinem Lebensentwurf: Einige Monate im Jahr arbeiten, acht Monate aber frei sein und sparsam im eigenen Van irgendwo in Europa leben. Oder wandern gehen. Thomas wirkte bemerkenswert ausgeglichen. Vielleicht gibt es etwas zwischen Van-Life und Bürojob? Johann-Friedrich Weber und Eva Istas stellen mit „Beratung in Bewegung. Praxisbuch für Coaching und Therapie in der Natur“ einen veränderten Rahmen für Beratung vor. Und dieser Rahmen ist grün, wetterabhängig, beweglich und bewirkt zuweilen schmutzige Schuhe. 

Istas und Weber stellen ihre „Beratung in Bewegung“ als Autoren-Team zwischen Aachen und Stuttgart vor. Die gelernte Pädagogin Istas veränderte Ende der 2010er-Jahre ihren Schwerpunkt hin zu systemischem Coaching plus Wander-Coaching. Dazu absolvierte sie eine Ausbildung in neurosystemischer Integration sowie traumasensiblem Coaching. Weber war im Verlagswesen tätig und entwickelte nach einem berufsbegleitenden Studium in Existenzanalyse und Logotherapie seinen Ansatz des „Walk and Talk Coaching“. Zudem ließ er sich zum kognitiven Verhaltenstherapeuten ausbilden. Weber hat seine Ziele trotz Sehbehinderung erfolgreich verfolgt. 

Passend zum Inhalt hat das Papier des Buches ein FSC-Siegel für gute Waldnutzung. Das Buch umfasst die Einleitung, vier Kapitel und ein Literaturverzeichnis im Umfang von 269 Seiten. Im ersten Teil mit knapp 30 Seiten stellen die Autoren einen Erfahrungsbezug her. Das zweite Kapitel schließt mit „Bewegung und freie Natur“ eine 90-seitige fachliche und wissenschaftliche Fundierung an. Der Hauptteil mit über hundert Seiten stellt vierzehn praktische Methoden zum Coaching in freier Natur vor. Die restlichen Seiten beantworten häufig gestellte Fragen. Ein abschließendes Fazit fehlt, dafür gibt es fünf Seiten mit weiterführender Literatur. Gelegentliche Fußnoten vertiefen die Inhalte.

Die Autoren bemühen sich um gendergerechte Sprache mit [*]. Viele Unterüberschriften erleichtern das Lesen in kurzen Abschnitten. Es gibt genau eine Grafik im gesamten Buch. Der Methodenteil unterstützt den Leser mit einer wiederkehrenden Systematik sowie ausführlichen und kleinschrittigen Erläuterungen. 

Der Titel des Buches ist Programm und auch inhaltlich gibt es eine Bewegung: von theoretischen Grundlegungen wird die Dramaturgie immer praktischer. Den Erfahrungsbezug des ersten Kapitels gestalten die Autoren sehr persönlich. Über die „Freiheit des Willens“ und den „Willen zum Sinn“ gelangen sie zum „Sinn des Lebens“ (S. 27 f.) und laden zu kreativ-schöpferischer Werthaltung ein. Mit ihren Klienten und Lesern bewegen sie sich auf Augenhöhe. Denn sie bieten Methoden an, laden dazu ein – immer in Freiheit, immer ohne Zwang. Sie bleiben konsequent transparent und erläutern ihr Wofür, um dem Coach wie dem Klienten die Sinnhaftigkeit einer Übung plausibel zu machen. Hier eröffnet die Methode „Jahreszeiten“ einen eigenen Zugang zum Jahreskreis der Natur und zur Verortung des Klienten darin. Dort gibt es mit „Eine Sinnenpyramide bauen“ eine Anleitung zur ganzheitlichen Wahrnehmung. 

Das Buch ist für jeden Coach eine Einladung, die eigene Beratungshaltung zu reflektieren und das eigene Menschen- und Klientenbild zu hinterfragen. Die starke Orientierung auf Methoden erlaubt dem interessierten systemischen Coach, sich rasch selbst mit einer Beratung nach draußen zu begeben. So lässt sich für den affinen Coach das Portfolio des eigenen Beratungsangebots niederschwellig erweitern. Es werden auch Varianten und Hinweise für den Einsatz bei Klienten mit Einschränkungen benannt. 

Die gendergerechte Sprache wird leider nicht konsequent durchgehalten. So darf sich die Leserschaft nach Irritationen im Lesefluss immer wieder mal neu justieren. Grafiken und ein Bildteil hätten dem Buch gutgetan und einiges veranschaulicht. Am Ende fehlt ein Fazit, das den vorgestellten Ansatz der Autoren abrundet. Die zuweilen überhandnehmenden Unterüberschriften können die Struktur und Orientierung der Leserschaft verwischen. 

Fazit: Istas und Webers Ideen und Rahmen zur Beratung in Bewegung bieten für jeden Coach eine starke Orientierung. Sie legen eine Planke aus, um draußen zu coachen. Zugleich geben sie erfahrenen Draußen-Coaches neue Methoden an die Hand. Schuhe an und raus mit uns. 

Torsten Ferge

Coach und Supervisor
www.ferge-coaching.de 

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