Cover: Beratungspsychologie. Berlin: Springer.
Petra Warschburger

Beratungspsychologie. Berlin: Springer.

Rezension von Till Mrongovius

4 Min.

"Beratung und Beratungsbedarf scheinen ein kennzeichnendes Merkmal unserer modernen Gesellschaft zu sein", stellt die Herausgeberin fest. Beratung findet in unterschiedlichsten fachlichen Situationen statt, hat aber gleichzeitig eine starke psychologische Komponente. In den USA ist "Counselling Psychology" daher. längst eine eigene Anwendungsdisziplin der Psychologie, während es in Deutschland wissenschaftlich gesehen ein meist wenig beachteter Nischenbereich zu sein scheint. Das ist für die Herausgeberin Anlass, einen Überblick über die Trends und Entwicklungen, über Konvergenzen und Unterschiede im Bereich Beratung zu geben.
Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil ist eine theoretische Einführung in den Bereich der Beratung. Dazu gehört die Besprechung von zwei konkreten Modellen der Beratung. Im zweiten Teil werden beispielhaft Felder der Beratung in fünf psychologischen Bereichen besprochen und ein Ausblick auf mögliche Entwicklungen in der Beratung gegeben.
Die Gestaltung des Buches ist professionell und übersichtlich, dazu tragen die vielen Tabellen und Grafiken sowie die vielen grafisch abgesetzten Exkurse bei, die den Inhalt des Haupttextes untermauern und meist sinnvoll und interessant flankieren. Als Fachbuch ist es vom Schreibstil relativ flüssig zu lesen. Nur die zweispaltige Seitengestaltung macht das Lesen etwas anstrengend.
Das Kapitel über das Transtheoretische Modell (TTM) - als Modell des Beratungsprozesses - ist sehr ausführlich und verständlich geschrieben und durch viele Untersuchungen untermauert. Auch der Katalog der Elemente der psychosozialen Beratung, und die Diskussion zur Inanspruchnahme von Beratung sind interessant und gehen vertieft auf die Materie ein. Weniger gute Teile des ersten Abschnitts sind die sehr trockene Beschreibung von Therapievariablen und der etwas unstrukturierte Abschnitt zum Motivational Interviewing. Auch dass ein verhältnismäßig hoher Anteil der zitierten Studien aus der Gesundheitsberatung stammt, ist etwas störend.
Im zweiten Teil schreiben unterschiedliche Autoren über ihr jeweiliges Fachgebiet. Damit unterscheiden sich die Kapitel leicht in der Qualität. In der "Pädagogischen Psychologie" steht die Ressourcenspirale als Kernkonzept im Mittelpunkt. Das Kapitel ist sehr einfach und praxisnah geschrieben und Beratungsfelder und -bedarf sind sehr umfassend und mit Beispielen aus der Schule dargestellt. Dagegen ist das Kapitel über "Gesundheitsberatung" eher langatmig und scheint nicht wirklich relevant für Coachs im Business. Im Kapitel "Klinische Psychologie" ist die sehr gute Übersicht und kurze Erklärung von verschiedenen grundlegenden Psychotherapierichtungen mit Fallbeispielen gut geeignet, sich ein schnelles Bild zu verschaffen. Anhand eines kleinen Falls werden im Kapitel "Arbeits- und Organisationspsychologie" alle Konzepte und Ideen beispielhaft dargestellt. Das hält den Leser bei der Stange und macht das Kapitel nach einem sehr abstrakten und theoretischen Anfang sehr verständlich. Die Autorin geht im Übrigen von einer sehr guten und pragmatischen Coaching-Definition aus. Interessant ist der Abschnitt über wahrgenommene Merkmale eines guten Beraters. Das letzte Kapitel über "Psychische Krisen" hat einen starken rechtlichen Fokus und eine teilweise sehr extreme Ausrichtung (z.B. Selbst- und Fremdverletzungsgefahr des Klienten).
Dem Coach bietet das Buch in der Breite der Abhandlung viele potenziell interessante Abschnitte. Die Analyse der Inanspruchnahme von Beratung mag beispielsweise sinnvoll für die Zielgruppenansprache sein, und die Besprechung von verschiedenen Evaluationsbögen gibt Impulse für die eigene Qualitätskontrolle. Das TTM scheint gut geeignet, die eigenen Beratungsbeziehungen zu reflektieren.
Auch im zweiten Teil gibt es für den Coach relevante Stellen: Die Ressourcenspirale kann als Ausgangspunkt zur Beschäftigung mit Burnout-Modellen dienen und das Kapitel "Klinische Psychologie" enthält eine kurze, aber gute Einführung zum sokratischen Dialog. Insgesamt ist natürlich das Kapitel "Arbeits- und Organisationspsychologie" am nächsten an der Tätigkeit des klassischen Coachs verortet. Aber auch das letzte Kapitel bietet mit der Theorie E. H. Eriksons vielleicht eine neue Perspektive auf die Krise des eigenen Klienten.
Das Fachbuch gibt einen guten Überblick über verschiedene Aspekte der Beratungstätigkeit in Abgrenzung zur Therapie. Es erhebt nicht den Anspruch, in diesen Aspekten fundiert in die Tiefe zu gehen, bleibt aber meist auch nicht oberflächlich. Wohl jeder Berater wird sich in manchen Dingen wieder finden und in der Vielzahl der unterschiedlichen Kapitel fachlichen Anregungen zum Nachdenken entdecken.

Till Mrongovius

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