Cover: Coaching und Systemische Supervision mit Herz, Hand und Verstand.
Klaus Theuretzbacher, Peter Nemetschek

Coaching und Systemische Supervision mit Herz, Hand und Verstand.

Rezension von Till Mrongovius

3 Min.

Die Autoren bieten einen sehr anschaulich geschriebenen Einblick in ihre praktische Vorgehensweise anhand von vielen konkreten Beispielen. Bunt macht neugierig - schon beim ersten schnellen Durchblättern fallen die vielen Farbbilder und bunt gefärbten Skizzen positiv auf, die den Leser dabei unterstützen, die umfangreicheren Fallbeispiele nachzuvollziehen und ihm helfen, sich ein Bild von Anwendung und Ablauf der besprochenen Interventionen zu machen. Beide Autoren verstehen sich stark in der Tradition von Milton Erickson und Vertretern der systemisch-konstruktivistischen Schulen, die vor allem Peter Nemetschek in Fortbildungen persönlich erlebt hat.
Im ersten Abschnitt wird neben einer Einführung in das systemisch-analoge Verständnis der Autoren als Basis-Intervention das "Lebensflussmodell" von Peter Nemetschek beschrieben, eine Mischung aus Time-Line und Systemaufstellung. Ziel ist es, im "Futur 2" einen Stimmungs- und Perspektivwechsel zu erzeugen, der die lösungsorientiert-klärende Arbeit der Systemaufstellung voranbringt. Diese "Methode" wird in den folgenden Abschnitten in einfacher oder komplexerer Form in fast allen beschriebenen Prozessen verwendet. Positiv ist am Ende des ersten Abschnittes die ausdrückliche Einladung zu mehreren Experimenten mit der Time-Line. Etwas zu kurz kommen wegen des starken Fokus auf das "Lebensflussmodell" aber andere sehr interessante Aspekte des analogen Ansatzes.
Das Buch gliedert sich nach dieser Einführung in zwei weitere Teile, in denen nun je ein Autor Anwendungen und Verfeinerungen des "Lebensfluss-Modells" in verschiedensten Situationen in Coaching (Theuretzbacher) und Supervision (Nemetschek) beschreiben.
Theuretzbacher beginnt an einem exemplarischen Coaching-Fall, seine Interventionen und die Reaktion des Klienten zu zeigen. Mit vielen Bildern der Aufstellung des Systems und der Time-Line ist der Fall sehr gut verständlich und illustriert die Methode sehr anschaulich. Danach steigt er in weiteren Kapiteln des Abschnitts in den Ablauf und die Grundlagen der Time-Line-Arbeit sowie Methode und Vorgehen beim Aufbau von Systemen ein. Der praktische Teil steht hier mit vielen Episoden aus realen Fällen im Vordergrund. Theuretzbacher beschäftigt sich in den nächsten Kapiteln mit Ressourcenarbeit und der lösungsorientierten Anwendung in verschiedenen Beratungssituationen: von "hakenden" Prozessen durch widerstreitende Elemente über Entscheidungsfindung bis zu beruflichen Veränderungen und Festigung einer Führungsposition. Leider finden sich in den sehr kurzen Kapiteln wenig erklärende Hintergründe, sondern fast nur verschiedene Beispielfälle. Dem Leser bleibt es oft selbst überlassen, den Transfer aus der Praxisbeschreibung zurück zur Theorie der Instrumente zu machen.
Nemetschek behandelt seine Supervisionsarbeit mit dem "Lebensfluss-Modell" ebenfalls an konkreten Beispielen aus der systemischen Fall- und Teamsupervision. Der Abschnitt greift einige typische Fragestellungen auf. Die Aufstellungen der oft sehr komplexen Systeme sind durch Grafiken dargestellt und die Interaktionen mit dem Supervisor werden anschaulich, oft als Zitat in wörtlicher Rede, beschrieben. Beides gibt dem erfahrenen Supervisor Einblicke in die Arbeitsweise diese Autors.
Zusammenfassend wirken vor allem die dank der Grafiken leicht nachvollziehbaren Beispiele und die Einführung der Instrumente im ersten und zweiten Teil positiv nach. Die Konzentration auf Weniges, die einfache und lebensnahe Sprache und die Abbildungen machen Lust darauf, das "Lebensfluss-Modell" selbst anzuwenden. Eine Liste von Materialien zur Aufstellungsarbeit rundet diesen Eindruck ab. Auf der anderen Seite wirken die vielen Beispiele ohne theoretischen Hintergrundrahmen gerade in der zweiten Hälfte des Buches etwas verloren, und man fragt sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle, was die Autoren dem Leser "eigentlich" mitteilen wollen.
Das Buch ist daher kein Grundlagenbuch, sondern ein Praxisbuch für Praktiker mit fundierten Kenntnissen. Berater, die schon lange mit systemischen Aufstellungen arbeiten, werden wahrscheinlich weniger profitieren, alle anderen können neue Impulse in Form einer interessanten Methode und einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise zweier Kollegen mitnehmen.

Till Mrongovius

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