Cover: Der Coach als Wegbegleiter. Eine Fallgeschichte aus der Sicht von Klient, Coach und Unternehmen.
Asma Semler

Der Coach als Wegbegleiter. Eine Fallgeschichte aus der Sicht von Klient, Coach und Unternehmen.

Rezension von Dr. Christine Kaul

3 Min.

"Endlich wird mal ein Coaching-Prozess ausführlich dargestellt von A bis Z!", viele Coach-Anfänger werden diesen Seufzer der Erleichterung hören lassen, wenn sie Asma Semlers Buch entdecken. Tatsächlich ist es ja eines der großen Handicaps beim Erlernen der Coaching-Kunst, dass diese Dienstleistung notwendigerweise "unter vier Augen", wie Wolfgang Looss formuliert, stattfindet.
Asma Semler liefert ein schönes, leicht und unterhaltsam zu lesendes Buch, in dem sie detaillierte Einsichten in die Gedanken und Gefühle der beteiligten Akteure eines authentischen Falles gibt. Der Klient selbst bekommt mit seinen Überlegungen und auch Befürchtungen ebenso Stimme, wie Asma Semler als Coach. Sie führt die Prozessplanung des Coachs aus, stellt in Kürze die theoretischen Zusammenhänge und Modelle dar, die ihre Arbeit leiteten, und verdeutlicht einzelne Tools, die zur Anwendung kommen. Sie beschränkt sich also nicht auf eine theoretische Homebase, sondern kombiniert ihre Prozessschritte nach Opportunität und Nützlichkeit aus unterschiedlichen Coaching-Richtungen, wie der Transaktionsanalyse oder der systemischen Coaching-Schule.
Die sehr belesene Autorin gibt viele konkrete Beispiele und die Interventionen werden so dargestellt, dass der Nachvollzug leicht fällt. Die Chronologie des beruflichen Werdegangs und des Coaching-Prozesses sowie die Beziehungsgestaltung zwischen Coach und Klient werden mit Originalzitaten spezifischer Coaching-Situationen illustriert.
Zu Recht ist die Durchführung von Coaching-Prozessen, die sich über Jahre hinziehen, nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der Coach-Szene umstritten. Semlers Buch ist ein Plädoyer für die Aufnahme sogenannter Langzeit-Coachings in den "Kanon der Entwicklungsinstrumente", wie sie es nennt. Doch gelingt es ihr nicht, die Indikation für solche Langfristmaßnahmen plausibel zu argumentieren. Es werden Fragen hierzu aufgeworfen, aber sie werden nicht beantwortet. Der hier von ihr in Ausführlichkeit dargestellte Fall des Philippe M. scheint darüber hinaus eher eine Aneinanderreihung verschiedener Prozesse - und nicht nur des Coaching. Organisationsentwicklerin, Beraterin, Instruktorin, Moderatorin, Coach… Semler übernimmt all diese Rollen und scheint damit keine Probleme zu haben. Allerdings hat sie im Prozessverlauf selbst Unterstützung gesucht, indem sie selbst Coaching oder Supervision in Anspruch nahm. Eine Maßnahme, die ja auch bei wesentlich weniger komplexen Coaching-Prozessen zu empfehlen ist.
Schön, dass diese hoch reflektierte gemeinsame Arbeit mit dem beruflichen Erfolg des Coaching-Kunden gekrönt wurde, wenn man auch der Autorin nicht zur Gänze folgen mag, wenn sie eine signifikante Kausalität zwischen Coaching und Karriereentwicklung behauptet: Eine hilfreiche Unterstützung des Kunden in seiner Laufbahn war es sicherlich.



Das Buch ist jungen Coachs zu empfehlen, es ist eine wahre Fundgrube - mit leichter Einschränkung, die sich daraus ergibt, dass das Buch möglicherweise zu anfängertypischen (?) Allmachtsfantasien verlocken könnte. Trotz aller Sorgfalt und allen dargebotenen Verantwortungsbewusstsein meistert Semler doch ihre schwierige Aufgabe mit beachtlicher und leicht zur Nachahmung verführender Bravour.

Dr. Christine Kaul

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