Cover: Die Coaching-Praxis: Mit Methode zu neuen Perspektiven. Weinheim: Beltz.
Ingeborg Sachsenmeier

Die Coaching-Praxis: Mit Methode zu neuen Perspektiven. Weinheim: Beltz.

Rezension von Thomas Webers

4 Min.

Dieses Buch verspricht einen einzigartigen Überblick über die praktische Coaching-Arbeit. Die Leser sollen die Grundlagen eines zeitgemäßen Coachings sowie einen umfassenden Einblick in die Arbeitsweise von Coachs erfahren. Das ist ein stolzer Anspruch. Ob das Buch dem gerecht wird?

Zunächst muss festgehalten werden, dieses Buch ist der dritte Band einer fünfbändigen Reihe "Mit Kommunikation zum Erfolg". In den anderen Bänden geht es um Präsentation, Workshops, Konfliktmanagement und Moderation - sozusagen die komplette Rundumversorgung für die Business-People im praktischen Schuber. Da sollte man schon etwas erwarten können... Doch dieses Buch ist eine Kompilation. Es basiert auf anderen Werken im Verlagsprogramm des Beltz-Verlags, den Büchern von Regina Mahlmann (2001), Gabriele Müller (2003), Björn Migge (2005) sowie Eckard König & Gerda Volmer (2002). Da stellt sich natürlich sofort die Frage, haben wir es hier mit einem "Best of" zu tun? Ist das Ganze mehr als die Summe seiner Einzelteile? Oder handelt es sich bloß um einen Teaser, à la "Reader’s Digest"? 

Im Vorwort erklärt die Herausgeberin, dass aus den Büchern diejenigen Beiträge ausgewählt wurden, "die für das Verständnis der Coaching-Praxis wichtig und grundlegend sind". Was mag sie wohl bewogen haben, das Mischungsverhältnis eindeutig zu Gunsten von Migge (185 Seiten, also über die Hälfte) zu akzentuieren? Auf Mahlmann sowie Müller fallen jeweils 44 Seiten, von König & Volmer wurden nur 27 Seiten für wichtig erachtet. Ob es am Seitenumfang liegt? Migges Buch kommt im Original mit stolzen 633 Seiten daher. Dagegen bringen es König & Volmer nur auf "schlanke" 192, Müller schafft nur 161, Mahlmann gar nur 155 Seiten.

Zugeben, dies ist ein rein quantitativer Vergleich. Gehen wir anders herum, inhaltsbezogen vor: Was hat die Herausgeberin aus den Originalwerken übernommen, was hat sie weggelassen? Große Teile des Buchs von Müller finden wir wieder; lediglich die Akquisitionsphase fehlt in diesem nach Phasen gegliedertem Buch komplett, ansonsten wurden vor allem etliche praktische Übungen gestrichen. Auch die beiden ersten Kapitel des Buchs von Mahlmann finden wir bei Sachsenmeier wieder; "Coaching in Aktion", ein Coaching-Prozess, der sitzungsweise reportiert wird, wurde gestrichen (hatte uns die Herausgeberin nicht gerade auf die Coaching-Praxis neugierig gemacht?). Aus dem Buch von König & Volmer wurden lediglich Teile aus dem Kapitel "Diagnoseverfahren" verwandt, und zwar die Abschnitte zu den Methoden Interview und Fragebogen; weite Teile dieses lesenswerten Buchs - Grundlagen, Coaching-Prozess, komplexe Situationen, Coaching als Expertenberatung sowie Evaluation - fehlen bedauerlicherweise. Die Grundlagen darf nun Björn Migge vortragen. Migges Buch erfreut sich zwar marktmäßig hoher Nachfrage, die sicher auch dem Einsatz im von ihm angebotenen Fernlehrgang gezollt ist (Eigenwerbung: "Buch und Fernkurs von B. Migge ähneln sich"), doch erscheint es dem anspruchsvollem Leser über weite Strecken doch eher als "eine äußerst ‚wilde‘ Zusammenstellung von Methoden" (G.Fatzer). 

Wäre die Herausgeberin da nicht besser beraten gewesen, mehr König & Volmer und weniger Migge anzusetzen? Und dann diese Doppelung: Als zweites Kapitel darf Gabriele Müller einen Überblick über das systemische Coaching geben; 200 Seiten später legt uns dann Björn Migge die systemischen Konzepte in der Beratung dar. Mag man mit Müller schon nicht immer ganz d’accord gehen, neigt sie doch dazu, großzügig die Unterschiede zwischen NLP und Systemik zu nivellieren, irritieren den Leser die Ausführungen Migges: Wenn er in koketter Lässigkeit von Gregory Bateson zu Bert Hellinger und weiter zu Niklas Luhmann springt, kann dem einigermaßen vorgebildeten Leser schon mehr als schwindelig werden. Dagegen nimmt sich die Wiederholung des Irrtums, dass die "Logischen Ebenen" von Robert Dilts auf Gregory Bateson zurück gehen, den Gabriele Müller vorträgt, harmlos an. In Anbetracht der schon 1998 von Klaus Grochowiak eloquent vorgetragenen Argumentation kann von einem zehn Jahre später erschienenen Buch mehr erwartet werden. 

Nein, das Buch-Konzept überzeugt nicht. Wenn der Klappentext verspricht, dass wichtige Ansätze und Modelle, Werkzeuge und Methoden aus der Coaching- und Beratungspraxis im Buch anschaulich dargestellt, und der konkrete Ablauf und Prozess eines Coachings aufgezeigt werden, muss man dagegen halten: Die Quadratur des Kreises - aus 4 mach‘ 1 ist nicht aufgegangen; unterm Strich kommt deutlich weniger als 1 heraus. Besser bedient ist man mit anderen, einzelnen Büchern.

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