Cover: Die Organisation in Supervision und Coaching. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Astrid Schreyögg, Christoph J. Schmidt-Lellek

Die Organisation in Supervision und Coaching. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Rezension von Thomas Webers

5 Min.

Supervisoren - aber auch Coachs - sind häufig primär auf das Individuum, dessen Verhaltensmodifikation und die dazu hilfreichen Methoden fokussiert, resümieren die Herausgeber in ihrem Vorwort zu diesem Buch, das zugleich als Sonderheft 3/2009 der Zeitschrift Organisationsberatung - Supervision - Coaching (OSC) firmiert. Es sei daher angebracht, über den Tellerrand des Individuums hinauszublicken und zu reflektieren, dass es immer schon im Kontext eingebettet ist.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil finden sich generelle Plädoyers für die Bedeutung und den Einbezug des organisatorischen Kontextes in die personenorientierte Beratung, die sich überwiegend auf den soziologischen Ansatz von Stefan Kühl beziehen. So geht Beate Fietze der Frage nach, warum Coaching heute so attraktiv ist. Als Antwort verweist sie auf die Konzept-Homologie zwischen der personenbezogenen und der Organisationsberatung: Es geht um die (Prozess-) Begleitung von Lernprozessen in einer sich permanent verändernden Welt. Gerhard Liska bedient sich der neo-institutionalistischen Perspektive. Coaching wird aufgrund seines Erfolgversprechens eingesetzt und dient zur Legitimierung der Optimierung von Managementkompetenzen. Ferdinand Buer stellt die provozierende Frage, ob Organisation Profession gefährdet, und hebt den Zeigefinger: Die Unternehmenslogik drohe sich zuungunsten der Professionslogik durchzusetzen. Jasmina Hasambegovic verortet Coaching in der Kompensation des unzulänglich arbeitenden betrieblichen Bildungsmanagements.
Im zweiten Teil werden organisationstheoretische Folien für ihre Anwendung in der Beratung vorgestellt. Jochen Koch und Wasko Rothmann konzipieren Coaching zur Überwindung organisationaler Pfadabhängigkeit. Peter Eberl untersucht die Rolle von Vertrauen in schwach formalisierten Organisationen. Sein soziologischer Ansatz versucht, Luhmann mit der Attributionstheorie zuverknüpfen, kommt ansonsten aber bedauerlicherweise völlig ohne sozialpsychologische Bezugnahme aus. Erfrischend und gehaltvoller dagegen liest sich der Beitrag von Julika Zwack und Danny Pannicke "Surviving the Organisation". Der systemtheoretische Beitrag der beiden Autorinnen bietet "Landkarten zur Navigation im ganz normalen organisationalen Wahnsinn". Zum Abschluss dieses Teils räsonieren Gerald Hüther und Bernd Schmid über Kreativität in Menschen und Organisationen aus neurobiologischer und systemischer Sicht.
Der dritte Teil enthält Beiträge, die spezifische Beratungsthemen in unterschiedlichen Organisationstypen mit ihrer jeweiligen Bearbeitung präsentieren. Astrid Schreyögg berichtet über Coaching für das Management virtueller Teams. Maria Sparber nimmt sich das Thema Führungskräfte in Teilzeit vor. Einem hochinteressanten Thema widmet sich Heidi Möller. Der Rezensent hätte gerne mehr zum Thema Teamsupervision in sterbenden Organisationen erfahren als in diesem knappen, fast zehn Jahre alten Beitrag zu finden ist. Die Ausführungen Astrid Schreyöggs zu Teamarbeit und der Supervision von Teams sind leider auch älteren Datums und reflektieren den Stand der 80er und beginnenden 90er Jahre, also just den Stand, kurz bevor hierzulande der Gruppenarbeitsboom begann, der eine Fülle neuer Erfahrungen und Forschungsergebnisse brachte.
Im vierten Teil schließlich finden sich Fallbeispiele von Coaching oder Supervision unterschiedlicher Positionsinhaber in verschiedenen Organisationen und Settings. Cordula Söfftge berichtet von der Herausforderung, ein unternehmensinternes Netzwerk externer Coachs aufzubauen, und den nicht trivialen Schwierigkeiten, es zu steuern. Es kam, wie es kommen musste: Dass es schwierig ist, Coaching und Supervision in einem Kontext zu implementieren, dessen Kultur nicht von Vertrauen und Offenheit gekennzeichnet ist, wusste Christina Sommer, bevor sie es trotzdem in einer forensischen Psychiatrie versuchte. Vom Coaching eines Projektleiters berichtet chronologisch Wolfgang Oppelt. Höchst interessant liest sich der Bericht Sylvana von Hayns über die Schwierigkeiten des Coachings in einem international operierenden Unternehmen: Das Führen einer über die Welt verteilten Projektgruppe, deren Mitglieder einen kulturell heterogenen Hintergrund aufweisen, ist per se schon kein leichtes Geschäft. Ein Führungswechsel und privat bedingte Probleme der Führungskraft erschweren die Situation, bei deren Lösung zunächst im Wege steht, dass Coaching als Problemlösung noch nicht etabliert ist. Die Anforderungen an das Fingerspitzengefühl des Coachs und dessen Kompetenz sind in diesem Fall sehr hoch. Die Autorin legt offen, wie sie mit dem Setting umgegangen ist. Zum Schluss zeigt Jutta Nixdorf, dass Teamsupervision nicht immer mit dem ganzen System stattfinden muss, sondern das die variable Arbeit mit Teilgruppen und die Kombination von Coaching und Supervision nicht nur eine legitime, sondern auch eine erfolgreiche Vorgehensweise darstellt.
Ein Verzeichnis der Autoren sowie ein Quellenverzeichnis komplettieren diesen Band, der sich als ein kursorischer Querschnitt durch das Thema Organisation und Beratung erweist. Wer einen systematischen Zugang aus einem Guss sucht, wird hier vielleicht weniger zufrieden sein und sich anderen Werken (z. B. Höher, 2007) zuwenden. Ohne damit freilich eine sichere und klare Antwort auf die wichtige Frage der gegenseitigen Beziehung und Abhängigkeit von Organisation und Beratung zu erhalten. Hier besteht nach wie vor sowohl konzeptioneller als auch empirischer Klärungsbedarf.
Auf dem Weg dahin stellt dieses Buch einen bemerkenswerten Zwischenschritt dar. Ob man dabei die von Stefan Kühl vorgenommene Gleichsetzung von Coaching und Supervision als personenbezogene Beratung teilen muss, bleibt dabei sicher auch zu klären. Gegenüber den Vorgängerbänden fällt bei diesem dritten "Sonderheft" erfreulich auf, das die Zahl älterer Zweitverwertungen aus der Zeitschrift OSC deutlich auf vier Stück reduziert wurde. Der Abonnent der OSC erhält mit diesem Supplement also einen deutlichen Mehrwert.
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