Die Psychologie ist eine, möglicherweise sogar die bedeutendste Referenzdomäne für Coaching. Da liegt es auf der Hand, einmal zu schauen, was die Beratungspsychologie beizusteuern hat. Die Autorin, Professorin an der Heilpädagogischen Fakultät der Universität zu Köln, hat sich mit der Veröffentlichung in der populären UTB-Reihe, und nun auch schon in der zweiten, durchgesehenen Auflage, eine offenbar vielgelesene Plattform gesichert. Diese soll aus der Coaching-Warte bewertet werden.
Die Einführung wird in acht Kapiteln ausgerollt. Im ersten Kapitel geht es um die Darstellung der historischen Entwicklung von Beratung, eine Abgrenzung, insbesondere zu Therapie und Mediation, und ethische Fragen. Der Leser wundert sich, warum keine Definitionen zu Coaching, Mentoring, Training erfolgen, und warum nicht zwischen Prozess- und Fachberatung unterschieden wird. Stattdessen erfährt er etwas über Counseling, Erziehungs- und Berufsberatung sowie Supervision. Nußbeck:
"Beratung geschieht bei aller Anerkennung des Ratsuchenden als gleichberechtigter Partner immer in einem asymmetrischen Prozess (
) Der Ratsuchende hat demnach die Erwartung, dass der Berater ihm aus einer subjektive als hilflos erlebten Situation heraushilft" (S. 25). Dies werden viele Coachs nicht unwidersprochen stehen lassen.
Es folgen - eher unspektakuläre - Grundlagen der Kommunikationspsychologie (Kap.2). Das dritte Kapitel handelt von den theoretischen Konzepten der Beratung: Beginnend bei Sigmund Freud, Carl Rogers und Albert Bandura bis zu lösungs- und ressourcenorientierten Sichtweisen (Kybernetik 2. Ordnung). Das vierte Kapitel handelt vom Beratungsprozess - ohne sinnvollerweise nach Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu gliedern. Es schließt sich ein Unterkapitel zu Beratung in Gruppen, ein weiteres zu Kriseninterventionen, eines zum Veränderungsprozess, eines zur Diagnostik und ein weiteres zu Techniken und Methoden an. Alle Teilkapitel erscheinen dem Rezensenten eher blass.
Das fünfte Kapitel handelt von der Beziehungsgestaltung. Keine Frage: ein kardinaler Punkt in Beratungsbeziehungen. Die Autorin jedoch warnt gleich vor dem Burnout. Und das verwundert, weil es gar zu gewollt erscheint. Wichtige Ausführungen zur Emotionsarbeit (sentimental vs. emotional work) werden stattdessen vermisst. Als Kontrast zur Burnout-Drohgebärde wäre ein Hinweis auf Work Engagement oder die Positive Psychologie mehr als angemessen gewesen; insbesondere, wenn Zahlen zum Burnout aus dem Jahre 1999 präsentiert werden. Von einer 2., durchgesehenen Auflage könnte man mehr erwarten.
Evaluation, das sechste Kapitel, enttäuscht ebenfalls. Mal wird von Qualitätssicherung, mal von Qualitätsmanagement gesprochen, das EFQM-Konzept taucht überhaupt nicht auf, die ISO-Reihe 9000ff. wird flugs als "Industriestandard" eingeführt und stante pede mit dem Verdacht der "einseitigen Einsparmöglichkeiten" in Verbindung gebracht - also desavouiert. Dies lässt aufhorchen: Gibt es eine signifikante QM-"Allergie" im Non-Profit-Sektor?
Das siebte Kapitel widmet sich den Beratungsfeldern Erziehungs- und Familienberatung, Schule, Frühförderung und Weiterbildung sowie den Bereichen Behinderung und Sucht. Also auch wieder ausschließlich Non-Profit-Feldern, zu denen man die klinischen Einrichtungen ja auch zählen kann. Aber eben nicht der Wirtschaft, obwohl Beratung - neben Coaching - hier vielfältig eine Rolle spielt. Wenn im nur zweiseitigen Abschlusskapitel "Aktuelle Entwicklungen und Ausblick" Beratung als psychosoziale Beratung von der Psychotherapie abgrenzt wird mit der Bemerkung, "Beratung ist im Alltagsverständnis auch heute noch als kleine Therapie verankert", lässt auch das aufhorchen. Und ob die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB) wirklich zu einer verstärkten Professionalisierung führen wird, wie die Autorin behauptet, scheint noch lange nicht erwiesen. Weder im - neben dem Literaturverzeichnis - abschließenden Glossar noch im Sachverzeichnis taucht übrigens als Stichwort "Coaching" auf.
Aus Coaching-Sicht betrachtet, handelt es sich bei dieser Einführung um ein recht einseitiges Buch, das auch fachlich, weil es bessere Alternativen gibt, verzichtbar erscheint.