Was im Titel als „Einführung“ bezeichnet wird, ist mehr als das. Michael Müller legt mit „Einführung in narrative Methoden der Organisationsberatung“ eine Veröffentlichung vor, die den Leser anschaulich und handlungsorientiert an Coaching mit narrativen Methoden heranführt und für sich stehen kann.
Zunächst macht der Autor deutlich, dass Geschichten und Erzählungen ein mächtiges Instrument der Kommunikation und Informationsspeicherung darstellen. Narration und Identität sind untrennbar verbunden, was für Individuen und Organisationen gleichermaßen gilt. Beratung bedeutet für Müller, den Klienten darin zu unterstützen, neue Einsichten zu seiner Identitätsgeschichte zu entwickeln und diese Ideen so in Handlung umzusetzen, dass auch sein Umfeld diese Neuinterpretation anerkennt.
Was eine Geschichte bzw. die Erzählung einer Geschichte kennzeichnet, ist die Dreiteilung in Ausgangssituation, Transformation und Endzustand. In der Beratungsarbeit kommt es häufig vor, dass ein wünschenswerter Endzustand (noch) nicht erreicht wurde. Die Besonderheit autobiografischer Erzählungen, darauf weist Müller nachdrücklich hin, ist immer im Hinterkopf des Coachs zu halten: Autobiografische Erzählungen sind sehr situationssensitiv und deshalb in ihrer Akzentuierung und Darstellung wandelbar.
All dies gelingt dem Autor sehr anschaulich und transferierbar ins Coaching-Geschehen. Eingestreute methodische Bausteine unterstützen den Transfer.
Im Weiteren stellt Müller konkrete Methoden und Ablaufschemata für den Einsatz narrativer Methoden dar. Zum einen, wie sie sich im Einzel-Coaching auswirken. Hier packt den Autor allerdings selbst die Erzähllust: Allzu ausführlich und damit etwas ermüdend sind die Beispiel-Coachings dargeboten. Überaus erhellend aber seine Darstellung der vielen „Gesichter“ eines Geschehens je nachdem, wer erzählt.
Zum anderen zeigt Müller, wie narrative Methoden in der Organisationsberatung verwendet werden können. Auch hier ist er handlungsorientiert und erfreulich konkret. Vorgehensweisen, Workshop-Settings, Checklisten, Fragemöglichkeiten, Abläufe und Prozessschritte: der schmale Band ist in hohem Maße praxisorientiert.
Die Beratungsarbeit in Organisationszusammenhängen betreffend, macht Müller deutlich: „Nur mit den Geschichten der Führungskräfte zu arbeiten wie in der traditionellen Unternehmensberatung greift in vielen Fällen zu kurz, weil man sich so nur mit einem Teilsystem beschäftigt, dem der Führung, das eine ganz spezifische Realitätskonstruktion hat, die mit der des restlichen Systems übereinstimmen kann, aber nicht muss (und es sehr oft, wie die langjährige Erfahrung des Autors zeigt, auch nicht tut).“ (S. 81)
Fazit: Der Autor war bescheiden genug, dem Leser sein Buch als Möglichkeit der Bereicherung des jeweiligen Methoden- und Werkzeugkoffers anzudienen. Das ist ihm auch durchaus gelungen. Insgesamt wenig Neues, aber Bewährtes wird in einen Zusammenhang gebracht, der lesenden Coaches Anregung geben kann. Ein Praktiker gibt hier sein Wissen weiter!