Cover: Handbuch Interkulturelles Coaching. Konzepte, Methoden, Kompetenzen kulturreflexiver Begleitung.
Kirsten Nazarkiewicz, Gesa Krämer

Handbuch Interkulturelles Coaching. Konzepte, Methoden, Kompetenzen kulturreflexiver Begleitung.

Rezension von Prof. Dr. Klaus Stulle

4 Min.

Das Thema "Coaching" ist bekanntlich schon aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet worden, doch die interkulturelle Facette dieses Beratungsansatzes wurde bislang vergleichsweise selten beleuchtet. Grund genug für das Autorenduo, mit einem ausgewiesenen "Handbuch" diese Lücke zu füllen. Sie profitieren dabei von ihrem beruflichen und wissenschaftlichen Hintergrund in diesem Bereich, schließlich haben sie sich gemeinsam mit dem Institut "consilia cct: create culture together" auf diesen Schwerpunkt spezialisiert.
Schon auf den ersten Seiten wird die ausgesprochen systematische Darstellungsweise der Autorinnen deutlich: Sie beginnen mit einer allgemeinen Klärung der Begrifflichkeiten einschließlich der eigenen Coaching-Definition samt Abgrenzung zu verwandten Interventionen wie "Mentoring", "Supervision" oder "Therapie". Themenspezifischer ist die Beschreibung der verschiedenen Zielgruppen, für die kulturübergreifendes Coaching infrage kommt: Auslandsentsendungen (sog. "Expatriates"), Migranten, internationale, oft virtuell zusammenarbeitende Teams oder internationale Firmenzusammenschlüsse. Die Autoren unterscheiden dabei "interkulturelles" Coaching, bei dem es um "Strukturen", "Effizienz", "Transaktion" und "Austausch" geht, und "transkulturelles Coaching", das "Kräfte" und "Interessen" beleuchtet und bei dem "Kompetenzen", "Potenziale" und "Synergien" im Mittelpunkt stehen. Damit wird deutlich, dass der Kulturbegriff essenzialistisch, systemisch oder kohäsiv verstanden werden kann, was wiederum Auswirkungen auf die Herangehensweise kulturreflexiv arbeitender Coaches hat.
Verschiedene Abschnitte im Buch widmen sich neben dem eher kognitiv geprägten Coaching der gezielten Körperarbeit ("Der Körper lügt nicht!"), dessen Bedeutung interkulturell sehr unterschiedlich eingeschätzt wird (eine lange, sehr intensive Tradition verschiedener Techniken stammt aus Fernost). Außerdem werden verschiedene allgemeine Modelle wie das "Riemann-Thomann-Kreuz" auf den interkulturellen Kontext übertragen oder spezifisch kulturvergleichende Instrumente vorgestellt. So das selbst entwickelte "Führung durch Autorität"-Tool. Oder es wird der oft zitierte prototypische Stimmungsverlauf bei Auslandsentsendungen ("Honeymoon - Kulturschock - Integration - Rückkehrschock - Anpassung zu Hause") sowie der Abgleich der persönlichen Berufs- und Lebenskurve vorgenommen. Auch die diversen Persönlichkeitsmodelle und zugehörigen Fragebögen wie MBTI, Insights, HDI oder Enneagramm werden aus interkultureller Perspektive beleuchtet. Daran schließt sich eine Betrachtung klassischer Coaching-Techniken wie Psychodrama, Aufstellungsarbeiten oder NLP-Techniken (zum Beispiel der "Moment of Excellence") an.
In einem eigenen Kapitel beschreiben die Autorinnen drei verschiedene Konzepte für kulturberücksichtigende Coachings, abhängig vom jeweiligen Kulturbegriff. Darin enthalten sind dann wiederum klassische Coaching-Elemente wie Auftrags- oder Zielklärung, Hypothesenbildung und Beziehungssteuerung.
Letztlich wird durch die Darstellung deutlich, dass sich die interkulturelle Kompetenz aus den hinlänglich bekannten Kompetenzfeldern Fach-, soziale, strategische und individuelle Kompetenz zusammensetzt. Damit wird die kulturübergreifende Komponente zu einer echten Meta-Perspektive, die auf bereits hinlänglich untersuchten und beschriebenen Fähigkeitskatalogen aufbaut. Dies lässt sich dann auch weiter übertragen auf allgemeine interkulturelle Schwerpunkte wie Führung, Marketing - oder in diesem Buch halt "Coaching", die zwangsläufig aufbauen auf der einschlägigen Forschung zum jeweiligen Thema - nur ohne kulturellen Bezug. Gleichzeitig finden sich auch ausführlich kulturspezifische Fragestellungen, wie die Frage der Sprachwahl im Coaching: "Muttersprachlich auf einer Seite", "Bilinguale Gesprächspartner", "Fremdsprache für beide Seiten" bis hin zum (seltenen) Coaching mit Dolmetscher. Auch rückt an die Seite des üblichen Vier-Augen-Coachings die zunehmende Medienvielfalt und "Virtualisierung" mittels Telefon/Handy bis hin zu E-Mail, SMS und sozialem Netzwerk, wobei diese Kommunikationsformen unübersehbar kulturabhängige Verbreitungsunterschiede aufweisen.
Das Autorenduo wirbt abschließend dafür, "Coaching als professionelles Handeln heutzutage kulturreflexiv anzugehen, um der transkulturellen Verfasstheit der internationalen Lebens- und Arbeitswelt gerecht zu werden und die in dieser Welt lebenden und arbeitenden Menschen auf der Höhe der Zeit und ihrer Anforderungen zu begleiten" (S. 394). Diesem Wunsch oder dieser Forderung kann sich der Rezensent leicht anschließen, wenngleich damit die Anforderungen an den Coach in der Praxis steigen. Das Buch strebt an, bei dieser Aufgabe eine Unterstützung zu leisten. Diesem Anspruch wird es insoweit auch gerecht: Es behandelt viele der üblichen Coaching-Fragestellungen und -Techniken aus kulturvergleichender Perspektive und enthält auch besondere Abschnitte, die erst durch kulturelle Vielfalt relevant werden. Viele plastische
Fallbeispiele erleichtern das Verständnis. Gleichzeitig ist das Werk durch sein hohes Anspruchsniveau für den Leser gekennzeichnet, viele Fremdwörter und die allgemein "wissenschaftstaugliche" Diktion machen es zu einer konzentrierten Fach- und keineswegs zur Bett- oder Fliegerlektüre. Zahlreiche, kommentierte Leseempfehlungen ermöglichen eine weiterführende Vertiefung mit dem Thema, wobei die Gefahr kultureller Stereotype als Plattitüden oder schlichter Coaching-Rezeptbuch-Anleitung konsequent vermieden wird. Insofern hat das Buch ein qualifiziertes Fachpublikum als Leserschaft verdient und kann dieser Zielgruppe wertvolle Gedankenanstöße liefern.

Prof. Dr. Klaus Stulle

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