Das nächste Material für Coaching von Teams? Zwei Unterschiede fallen auf: (1.) Die ca. DIN A6 große Schachtel mit 56-seitigem Begleitheft und 100 Karten ist haptisch ansprechend gestaltet. (2.) Es handelt sich im Anspruch dezidiert um Material für systemische Teamorganisationsprozesse.
Die Autoren Silvia Vater und Roman Hoch legen im Begleitheft dar, dass Teamentwicklung als zentraler Aspekt eines jeden Organisationsentwicklungsprozesses zu verstehen ist, da in sozialen Organisationen soziale Prozesse wesentlich sind. Kennzeichnend für die Arbeit mit Teams ist dabei der Mehrpersonenkontext, der eine multifaktorielle Denkweise braucht, welche Auswirkungen auf Haltung und Person der Beratenden hat und die Auswahl der Interventionen, Methoden und Techniken beeinflusst. Das wird profund plausibilisiert. Begrüßenswert ist, dass die Konstruktion des Berater-Kunden-Systems im Coaching beachtet wird. Anschließend wird die Eigenleistung der Autoren eingeführt: Ein BDCI-Modell für das Coaching von Teamorganisation. Aufgeschlüsselt: Brücke (Kontrakt- und Kontaktphase), Diagnostik (Anamnesephase), Choreografie (orchestrierte Bewegungsphase), Integration (Entscheidungs-, Veränderungs- und Implementierungsphase). Diese Nomenklatur eröffnet schöne Bildwelten.
Die Arbeit mit diesem Modell wird im Kartenset lebendig. Der Aufbau der Karten ist hypothesengeleitet: „Angenommen, Sie hätten die-und-die Situation im Team, könnten Sie dies-oder-jenes machen.“ Die Karten bieten keine Aufbauanleitung à la IKEA, sondern laden den Coach ein, sich – um im Bild zu bleiben – all die Schrauben, Bretter und Verbindungsstücke anzuschauen, die man wahrnimmt und Interventionen auf ihre Wirkung hin auszuprobieren. Die Karten dienen damit der Reflexion des Coachs – und das vorzüglich, wenn auch mit sehr viel Text und wenig visueller Führung. Die Handhabbarkeit im Karteikartenformat ermöglicht es jedoch, sich im Zugehen auf ein Coaching – z.B. bei der Anreise oder im Besprechungsraum – mit gezielt gewählten Karten zu fokussieren und sie in der Moderation dabei zu haben.
Im Begleitheft gehen die Autoren des Weiteren auf die Arbeit mit Hypothesen und systemischen Fragetechniken als Mittel der Diagnostik und Prozessnavigation ein. Sie stellen das Modell der Teamuhr (Gruppenphasen) und die Bedeutung von soziometrischen oder organisationsbezogenen Ordnungsstellungen vor und erläutern konzeptionelle Hintergründe zu den auf den Karten benannten Methoden. Das ist gut gemacht.
Weitere Denkanstöße werden online zur Verfügung gestellt. Hier wären einige erläuternde Worte zur Auswahl sinnig gewesen. So wirkt es, als ob die Autoren ihren (beeindruckend gefüllten) Materialschrank noch weiter geöffnet hätten, um zu schauen, was man beigeben kann.
Fazit: Die Box beinhaltet kein simples Tool-Set oder ein schweres Handbuch, sondern fachlich kompetentes Arbeitsmaterial, das – systemisch folgerichtig – die Arbeit des Coachs unterstützt, indem es ihn selber ins Arbeiten (Beobachten, Nachdenken, Entscheiden, Anwenden) bringt.
Jan-Christoph Horn