Coaching-Expertin Dr. Astrid Schreyögg stellt in ihrem neuesten Werk verschiedene Konfliktkonstellation genau aufgeschlüsselt dar und beschreibt, wie ein Coach in entsprechenden Situationen agieren kann. Eine vorschnelle Lösung ist meistens monokausal, d.h. man "schiebt" den Konflikt meist einem Umstand oder einer Person(engruppe) zu. Dies greift nahezu immer zu kurz, da Konflikte immer multikausal sind. Genauere Konfliktanalysen zeigen, dass mehrere Faktoren und Ebenen an einem Konflikt beteiligt sind und daher auch bei einer Konfliktlösung berücksichtigt werden sollten. Als "grundlegendes gedankliches Raster" empfiehlt Schreyögg (S. 45) daher, die folgenden vier Ebenen bei der Analyse von Konfliktursachen zu berücksichtigen:
- die gesellschaftliche Ebene
- die Organisationsebene
- die Interaktionsebene (Beziehungen und Kommunikation)
- die personale Ebene
Vom Coach verlangt eine derartige Analyse ein interdisziplinäres Konfliktverständnis. Erfahrungsgemäß zeigt sich, dass Konflikte mindestens auf zwei Ebenen angesiedelt sind.
Die Komplexität von Konfliktursachen deutet schon darauf hin, dass hier die Hilfestellung eines Beraters nützlich sein kann. Doch sollte eine Führungskraft stets berücksichtigen, dass ein "Abwälzen" eines Konfliktes auf den Berater zur Folge haben kann, dass die Mitarbeiter ihrer Führungskraft Schwäche zuschreiben. Die bessere Alternative besteht daher darin, die Führungskraft so zu beraten, dass sie ihre Konflikte nach außen selbständig bearbeiten kann. Genau hier setzt Coaching als niedrigschwellig verfügbare und diskrete Beratungsform an:
- zur Konfliktvorbeugung
- zur Konfliktbewältigung
- zur Konfliktstimulation
Besonders der letzte Punkt sei hervorgehoben, weil er betont, dass Konflikte per se nicht negativ einzuschätzen sind, sondern immer auch Ausdruck dafür sind, dass ein Veränderungsdruck existiert, der auch positiv genutzt werden kann. Daher kann Konfliktstimulation nach Schreyögg als Methode z.B. dann eingesetzt werden, wenn ein "erstarrtes" Unternehmen flexibilisiert werden soll und Innovationen einzuführen sind. Konkrete Maßnahmen, die Führungskräfte zur Konfliktstimulation mit ihrem Coach erarbeiten können sind (S. 127ff.):
- Bereits bei der Personalauswahl und Personalplanung Vielfalt und Unterschiedlichkeit begünstigen
- Gruppen- bzw. Abteilungsrivalität fördern
- Konflikte auf die Sachebene und niedere Konfliktstufen begrenzen
- Konfliktträchtige Sitzungsthemen zur Entwicklung einer Streitkultur nutzen
- Kultivierte Streitkultur nicht nur fordern, sondern vorleben
Natürlich sind neben diesen Anregungen noch eine Vielzahl von weiteren Möglichkeiten denkbar. Grundsätzlich können Aspekte wie Rivalität, Wettbewerb und emotionale Kontroversen sich von innen gegen eine Organisation richten, aber auch durchaus das Erreichen der Organisationsziele begünstigen. Entscheidend dabei ist die Gestaltung der Rahmenbedingungen, in denen Konflikte sich abspielen können. Hier sind Führungskräfte besonders gefordert, was die Unterstützung durch einen Coach sinnvoll machen kann.
Fazit: Das neue Werk von Schreyögg kann jedem Coach als "Pflichtlektüre" nahegelegt werden, da es die seltene Kombination aus theoretischer Fundierung, praktischer Relevanz und anwendungsbezogener Hilfestellung (für Coachs als auch Klienten) in sich vereint.
Christopher Rauen