Cover: Life Balance und Selbststeuerungskompetenzen. Eine Untersuchung mit Implikationen für Coaching und Beratung.
Alexandra Strehlau

Life Balance und Selbststeuerungskompetenzen. Eine Untersuchung mit Implikationen für Coaching und Beratung.

Rezension von Dr. Christine Kaul

3 Min.

Viele Chefs wissen die Wirkungen eines gelungenen triadischen Coachings zu schätzen: wenn also der Arbeitsfluss zwischen ihm selbst, Vorzimmer und Assistenz so optimiert werden konnte, dass alle drei kooperierenden Funktionen reibungsfrei ihren jeweiligen Aufgaben nachkommen können. Viele gestresste Manager erleben nach einer Beratung und einem Survey-on-the-Job, wie viel unbeschwerter der Arbeitstag verläuft mit dem adäquaten Zeitmanagement. Trotzdem sind viele Klienten nach einer entsprechenden Maßnahme zwar möglicherweise schneller und effektiver, aber nicht zufriedener.
Die Untersuchungen von Alexandra Strehlau könnten hier Erklärungen bieten und Coachs zu zielführenderen Interventionen anregen, denn möglicherweise liegt dem Klienten weniger an einem noch besser durchrationalisierten Arbeitstag. Vielmehr könnte es sein, dass die Befriedigung seiner höchst individuellen Bedürfnisse in unselige Schieflage geraten ist, ohne dass er dies verbalisieren kann: Aber die Unzufriedenheit - nicht nur mit der Arbeit - wächst in allen Lebensbereichen. Für nichts, so scheint es dem außer Balance Geratenen, bleibt genügend Zeit. Nicht für die Familie, nicht für Freunde und nicht für sich selbst.
Strehlau kann in ihrer Arbeit zeigen, dass Lebensbalance (und damit hoch korrelierend persönliches Wohlbefinden) dann vorliegt, wenn es der Person gelingt, ihre individuellen Bedürfnisse angemessen zu befriedigen. Dies aber geht weit über eine zeitliche Gleichgewichtung von Lebensbereichen hinaus. So kann sich ein Manager mit einem 15-stündigen Arbeitstag zufrieden und gut "balanciert" fühlen, wenn sich im Arbeitsalltag die Möglichkeit ergibt, viele verschiedene Bedürfnisse zu befriedigen: nicht nur das nach Selbstbestätigung, Erfolg und Leistung, sondern zum Beispiel auch nach sozialen Kontakten, Zugehörigkeit oder Sicherheit. Ein rein zeitlich ausgeglichenes Verhältnis von Lebensbereichen schützt dagegen nicht vor Burnout und dem Erleben von Sinnlosigkeit, wenn es nur wenige Chancen gibt, persönlich bedeutsamen Aspekten Genüge zu tun, etwa kreativ zu sein oder selbstbestimmt zu agieren.
Zwei grundlegende Aspekte sind Voraussetzung für eine gelungene Balance: Einmal die Fähigkeit, eigene Wünsche und Werte wahrzunehmen und selbstkongruente Ziele zu formulieren. Zum anderen die Fähigkeit, Energie zu generieren, um die eigenen Absichten umsetzen zu können. Coachs können ihre Klienten dabei unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse überhaupt erst wieder wahrnehmen und respektieren zu können - und die notwendige Selbststeuerungskompetenz zu entfalten.
Das schmale Buch der Autorin steht in Gefahr, leicht in seiner Bedeutung unterschätzt zu werden. Obgleich ein wissenschaftlich motivierter Text, haben die Untersuchungen und Schlussfolgerungen doch Relevanz für das Alltagsgeschäft von Coachs. Leider steht der Lektüre durch Coaching-Praktiker die ausführliche, im psychologisch-wissenschaftlichen Jargon gehaltene Darstellung der Hypothesengenerierung und des empirischen Vorgehens entgegen. Um von der Arbeit zu profitieren, sollten die Leser, die auf diese Textsorte aversiv reagieren, ohne Verzug zum fünften Kapitel weiterblättern. Dort stellt die Autorin einige wertvolle Überlegungen an, wie ihre Forschung für Coaching und Beratung nutzbar gemacht werden kann.

Dr. Christine Kaul

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