Coaching ist als Beratungsleistung kein Mythos der 21. Jahrhunderts. Wir finden die Funktion des Coachs bereits in der Antike. Die heute große Akzeptanz von Coaching in Wirtschaftszusammenhängen hängt eng mit einem weitgehenden Verzicht auf Pathologie und einer entsprechenden Begrifflichkeit zusammen. Dies schafft - neben großen kontextuellen Unterschieden - die relevante Differenz zu allen Formen von psychotherapeutischer Intervention. Im Beitrag von Neukom und Grimmer wird dieser Unterschied aufgehoben. Coaching und Psychotherapie werden vermischt. Man beachte die Sprache: Beruhigungsarbeit - Beziehungsängste - Abhängigkeit - Bestrafungsängste - unbewusste Abhängigkeitswünsche sind Begrifflichkeiten aus klinischen Zusammenhängen.
Im Beitrag von Eugen W. Schmid "schrammen" Führungskräften. Gegen Ende des Beitrags erfährt der Leser: "Schrammen" bezieht sich auf leichte Blechschäden am Auto. Führungskräfte als beschädigte Autos sind eine interessante Metapher. Sie werden unterstützt durch einen trusted advisor in einem ongoing job. Das Fazit dieses Beitrags stimmt dann allerdings ob der unfreiwilligen Komik milde: Coaching ist ein weites Feld. Anglizismen ersetzen keine Substanz und das Spiel mit Metaphern ist nicht frei von Risiko.
Den Beitrag von Marian Dermota fand der Rezensent ob der Stilblüten amüsant. Es ist von Coachs, die auftreten dürfen, von Vorständen, die auch nur Menschen sind, von Kunden, die vollkommene Austern sind, und von Geburtshelfern für das eigene bessere Selbst die Rede.
Christina Kuenzle widmet sich einem interessanten Thema: nämlich der Hypothese, dass beruflich erfolgreiche Frauen in ihrem Privatleben wenig erfolgreich sind. Mit dem Untertitel "der stille Schmerz der Führungsfrauen" wird auf insgesamt sieben Seiten das Thema abgehandelt. Hierbei wird die therapeutische Seite von Business-Coaching anhand eines Beispiels hervorgehoben. Das Beispiel mag interessant sein, aber die Hypothese mit den Intelligenten, Schönen und Erfolgreichen geht in den Ratschlägen für glückliches Leben verloren. Sie wird weder verworfen noch bestätigt. Peter Szabó deutet in kurzen Fallstudien seine Erfahrungen und sein Wissen an. In bester systemischer Tradition plädiert er für eine pragmatische Einfachheit wider den Mythos. Aus dem Sport ist das Phänomen, dass Könner die Dinge sehr leicht aussehen lassen können, bekannt.
In der Coaching-Marktstudie von Thomas Freitag finden sich viele interessante Teilergebnisse. Eine deutlich vergrößerte Datenbasis (50 Interviews) hätte den Wert der Aussagen erheblich erhöht.
Die geistige Landkarte zu den einzelnen Beiträgen mit Seitenangaben ist leserfreundlich und durchaus nachahmenswert.
Fazit: Über weite Strecken werden Coaching und Psychotherapie vermischt. In Folge wurde dem Rezensenten nie deutlich, welcher Coaching-Begriff zugrunde liegt. Versteht man den Titel als Frage, so fehlt die Antwort, versteht man ihn als Behauptung, fehlt die Beweisführung, sollte er eine Provokation sein, so ist auch diese nicht gelungen. Die Beiträge leben über weite Strecken von umgangssprachlich vorgetragenen Behauptungen, die Ratlosigkeit hinterlassen. Der Rezensent respektiert einzelne Beiträge und das Bemühen aller Autoren, weiß um die Notwendigkeit der Beiträge von Praktiker, kommt aber doch letztlich zum Ergebnis: Das Buch hält nicht, was es verspricht.
Dr. Walter Schwertl
Schwertl & Partner Beratergruppe Frankfurt
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