Der Titel kann zum Missverständnis führen, es handele sich um einen der vielen Selbsthilferatgeber und Praxisableitungen zum Positiven Denken. Das ist dieses Buch mit Gewissheit nicht. Selbst wenn die Autoren ihre Wissenschaft sprachlich auch für psychologische Laien eingängig ausbreiten. Eine Tatsache, die den Leser bei den Veröffentlichungen von Schütz - dort, wo sie federführend agiert - immer wieder erfreut, ist die leserfreundliche, leichte, ja unterhaltsame Schreibe, auch dort, wo ein eher wissenschaftlich interessiertes Publikum gemeint ist.
Wer als Coach mit Menschen arbeitet, hat immer im Bewusstsein, dass er mit der gemeinsamen Arbeit Einfluss auf das Selbstbild seines Klienten nimmt. Natürlich nur insoweit, wie der Klient ihm die notwendige Nähe ermöglicht und es das Thema erforderlich macht. Solches ist in jedem Fall naheliegend bei Themen wie Karriereplanung, Erfolg und Misserfolg und Zielsetzung im Beruf, Aspekte, die allesamt beeinflusst sind von der Selbstwirksamkeitserwartung des Einzelnen.
Der Business-Coach ist gefordert, seinen Klienten (dem möglicherweise aufgrund eines soeben erlebten Scheiterns momentan jeder "Optimismus" abgeht) mit realitätsnahen Überzeugungen zu den Kontrollmöglichkeiten, zu Selbstwirksamkeitserwartungen und Selbstregulation beim Erreichen selbstgesetzter Ziele und dem Umgehen mit Rückschlägen zu unterstützen. Hierzu liefert das Buch das aktuell verfügbare psychologische Grundwissen.
Nun weiß der erfahrene Business-Coach einerseits, dass viele populäre Ratgeber die Idee des "Erfolg durch positives Denken" überstrapazieren, gleichzeitig aber auch bei ihren Lesern (und potenziellen Coaching-Kunden) den irrationalen Druck erhöhen, durch höchstmögliche Zuversicht und unabdingbares Wollen alles erreichen zu können. Andererseits kennt jeder Coach auch die in vielen Unternehmenskulturen existierenden Mythen von optimistisch zupackenden, unbeirrbaren Erfolgsmanagern. Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass es so einfach nicht sein kann. Optimismus mag eine unterstützende Variable sein im Kampf um Karrierechancen und Erfolg, aber allein damit ist wohl kaum die Zielerreichung sicher zu stellen. Ein Kapitel des vorliegenden Buches ist deshalb dem Zusammenhang von positivem Denken und diesem beruflichen (schulischen) Leistungsbereich gewidmet und räumt mit Vermutungen zum Thema auf.
Der Coach, der die theoretischen Fundamente seines Tuns "renovieren" möchte, hat hier eine Kompilation der aktuellen Erkenntnisse zum Thema. Das Buch eignet sich ebenfalls dafür, neue Wege in der Arbeit mit Coaching-Kunden zu finden, die sich in einer Sinnkrise oder einer Phase beruflicher Resignation befinden.
Ein praktisches Beispiel zeigt auch - eher plakativ - wie in einem Coaching-Prozess irrationale pessimistische Denkweisen bearbeitet werden können, und in einem weiteren Schritt wird das "Penn Optimism Program" dargestellt. Erste wissenschaftliche Überprüfungen zeigen, dass negative Denkmuster tatsächlich in erwünschter Richtung positiv verändert werden können.
Eine weitere Gruppe von Spezialisten wird von dieser Veröffentlichung profitieren: BeraterInnen mit dem Schwerpunkt Gesundheits-Coaching. Die Autoren machen deutlich, dass positives Denken einer der wesentlichen protektiven Faktoren ist, sowohl was physische Gesundheit wie auch was psychische Wohlbefinden anbelangt.
Fazit: Kein Ratgeber "Wie werde ich ein fröhlicher Mensch?", aber ein Beitrag zu Thema "Wie werde ich ein hilfreicher Coach".
Dr. Christine Kaul
willkommen@kaul-coaching.de