Rezension von Andreas Broszio

3 Min.

Ein professionelles Coaching nutzt die Idee von der Vielfältigkeit möglicher Faktoren, die bedeutsam für das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen sind, als Ressource für die Schaffung hilfreicher Kontexte. Um Unterschiede in ggf. problematische Denk-, Fühl- und Handlungsmuster einführen zu können, die wirksam einen Unterschied ausmachen (Bateson), bedarf es auch eines Gespürs für die feinen Nuancen. Die subtilen vor- bzw. unbewussten Aspekte einer Situation bahnen Erleben und Verhalten. Manchmal geschieht dies in hilfreicher, zieldienlicher Art, manchmal in problemstabilisierender Weise. Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Priming kann dabei helfen, den persönlichen Ressourcenpool für die Gestaltung von helfender Kommunikation (in Beratung, Coaching, Therapie, Mediation etc.) zu erweitern. 

Das Buch „Priming – Stärkende Räume entstehen lassen“ ist eine gleichermaßen umfangreiche wie gut strukturierte Navigationshilfe zur Entdeckung der allgegenwärtigen und oft unbemerkten Prozesse der Aufmerksamkeits- und Verhaltenssteuerung. Für helfende Professionen ist es zugleich eine Handreichung, die aufzeigt, wie die „erstaunliche[n] Möglichkeiten zur Erzeugung und Gestaltung stärkender Räume“ (Varga von Kibéd im Geleitwort zum Buch) für eine verantwortliche Steuerung von Kontexten bzw. Beratungssystemen genutzt werden können.  

Christa Kolodej (Psychologin, Soziologin, systemische Beraterin und Therapeutin) bündelt in ihrem Buch die umfangreiche Forschungsliteratur zum Thema Priming. Die Vermittlung eines Grundverständnisses des Primings ist dabei eng gekoppelt an die Beleuchtung praktischer Implikationen. Die Lesenden sind eingeladen, sich mit dem Thema auch aktiv auseinanderzusetzen. Eine Vielzahl kleinerer Experimente machen das Phänomen unmittelbar erlebbar.         

Im ersten Kapitel erläutert die Autorin die Grundlagen des Primings als einen „Prozess, durch den auch periphere, unterschwellige und unbewusste Reize bei Menschen Erleben, Einstellung und Verhalten nachweisbar und relevant beeinflussen können“ (S. 2). Funktionsweisen und Formen des Primings sind hier ebenso klar beschrieben wie die einschlägigen Forschungsansätze. Diese Basisinformationen laufen auf die Prämisse hinaus, „dass das Wissen um Primingfaktoren in vielen Bereichen die Effizienz von Beratungen, Mediationen und Verhandlungen steigert und dementsprechend in den theoretischen wie praktischen Werkzeugkoffer gehört“ (S. 19). Dieser wird dann in den folgenden Kapiteln gefüllt, indem die Autorin das visuelle, auditive, kinästhetische, olfaktorische und gustatorische Priming thematisiert. Diese Vielfalt der zusammengestellten Erkenntnisse und Praxisbezüge bündelt Kolodej zusammenfassend im abschließenden siebten Kapitel. Hier zeigt sie, wie die Primingfaktoren in Bezug auf den Ort der Beratung, den Aufbau von Beziehungen und grundlegenden Beratungsaspekten sowie auf die Gestaltung des Beratungsprozesses wirken. 

Fazit: Das Buch ermöglicht ein Verständnis des Phänomens Priming und unterstützt eine bewusste Reflexion und Gestaltung automatisch ablaufender psychischer Dynamiken. Damit leistet es einen wertvollen Beitrag für ein Metaziel, das sowohl für beraterische Professionalität als auch für Klienten bedeutsam ist: Selbstbestimmung.

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