Cover: Selbstführung durch Coaching. Ein psychologisches Konzept zur Unterstützung von Coaching-Prozessen
Eva Jonas, Christina Mühlberger, Isabell Braumandl, Georg Zerle

Selbstführung durch Coaching. Ein psychologisches Konzept zur Unterstützung von Coaching-Prozessen

Rezension von Torsten Ferge

4 Min.

Kennen Sie den Bilbao-Effekt? In den 1990er Jahren wurde in der Hauptstadt des Baskenlandes auf einem brachliegenden Industriegebiet von der Guggenheim-Stiftung ein neues Museum für moderne Kunst errichtet. Frank Gehry entwarf hierfür eine spektakuläre Architektur in dekonstruktivistischem Baustil. Sie besticht mit verspielt-fließenden Formen und silbriger Fassade. Neben der kulturellen Bereicherung für das Quartier gab es ausgeprägte wirtschaftliche Effekte für die Stadt. In der Folge kommen jährlich ca. eine Million Besucher, es entstanden viele neue Cafés und Läden. Bilbao erfand sich neu.

Das Autorenteam rund um Eva Jonas stellt mit „Selbstführung durch Coaching. Ein psychologisches Konzept zur Unterstützung von Coaching-Prozessen“ eine strukturierte, psychologisch fundierte Architektur vor, um die Selbstwirksamkeit des Klienten im Coaching auf ein neues Level zu heben. 

Prof. Dr. Jonas bündelt mit den Autorinnen und Autoren eine Vielzahl psychologischer Kompetenzen. Jonas leitet als Professorin für Sozialpsychologie den Fachbereich Psychologie der Uni Salzburg. Sie betreut zudem Studiengänge in Supervision und Coaching für Postgraduierte und arbeitet zu menschlichem Verhalten bei Bedrohungen. Isabell Baumandl verknüpft praktische Erfahrung aus der Wirtschaft mit Führungs- und Coaching-Themen. Dr. Christina Mühlberger bringt Expertise als zertifizierte ZRM-Trainerin ein und forscht zur Erfüllung psychologischer Bedürfnisse. Und Georg Zerle schließlich ist Doktorand mit Coaching-Know-how in der Emotions- und Selbstregulation.

Das Buch umfasst 341 Seiten und ist fast DIN-A4-groß. Am Beginn des Buches erwarten die Lesenden eine Zusammenfassung, das Vorwort mit Erläuterungen zum Aufbau sowie das Inhaltsverzeichnis. Bevor die drei inhaltlichen Teile (Einleitung und Grundlagen, Theoretische Fundierung, Praktische Umsetzung) aufeinander aufbauen, wird das Autorenteam in Text und Bild vorgestellt. Jeder Teil umfasst zwei Kapitel. Die Literatur dazu ist jeweils auf mehreren Seiten am Ende eines Kapitels zu finden. Zwischendurch veranschaulichen Grafiken, Schaubilder und Tabellen den Text. Die Sprache ist zwar wissenschaftlich gehalten, dabei aber dennoch gut verständlich. Am Ende eines Sinnabschnitts bringt eine Zusammenfassung den Inhalt auf den Punkt. Das sechste Kapitel stellt Arbeitsmaterialien in Form von Kopiervorlagen für die Coaching-Praxis bereit. 

Das Buch richtet sich an Coaches, deren Klienten in ihrem Alltag in der VUKA-Welt navigieren. Es zielt auf die Weiterentwicklung und Stärkung von Selbststeuerungskompetenzen und den Aufbau bzw. die Stärkung einer stabilen Motivation. Dazu schlagen die Autorinnen die Persönlichkeits- und Motivationstheorie der „Persönlichkeits-System-Interaktionen“ (PSI) als eine verbindende, dynamische Sichtweise vor, die wissenschaftlich und psychologisch fundiert ist. Teil 1 gibt einen Überblick zur Selbstführung und zur Coaching-Geschichte. Teil 2 konkretisiert psychologisch relevante Theorien zu Motivation und Selbstführungs-Coaching unter Berücksichtigung der drei psychologischen Ebenen: der Prozess-, Funktions- und Beziehungsebene. Dabei fließen Ergebnisse der Wirksamkeitsforschung ein. Schließlich überträgt Teil 3 den Inhalt in die konkrete Coaching-Praxis inklusive eines Kapitels mit Druckvorlagen.

Den Autorinnen und Autoren gelingt eine enge Verknüpfung von Theorie und Praxis, von der Struktur zum Prozess. Sie streben weg vom verbreiteten Schulen-Denken im Coaching und hin zu einer verbindenden Metatheorie. Zugleich ist das vorliegende Konzept nicht nur theoretisch ausgearbeitet und gut durchdacht, sondern auch im Coaching mit Führungspersonen erprobt und mit positiven Ergebnissen bei Berufstätigen und Studierenden evaluiert. Die vorgeschlagene Formalisierung und Dokumentation von Antworten im Coaching kann jedoch auf Kosten der Arbeitsbeziehung, von Containing und Halt zwischen Coach und Klient gehen. Resonanzbasierte Beziehungsinformationen wie z.B. aus Übertragungsdynamiken werden nicht berücksichtigt. Das psychologische Vorgehen kann beim Coach Fragen an die eigene Selbstoptimierung auslösen. Und weiter gedacht kann die beschriebene Logik in absehbarer Zukunft Basis für ein KI-gestütztes Coaching sein.

Fazit: Der vorgestellte Ansatz ist weder für jeden Coach noch für jeden Klienten geeignet. Dennoch bietet das Buch u.a. einen Schlüssel für wissenschaftsbasiertes, psychologisches Coaching mit einem hohen Grad an Lösungsorientierung. Hier lohnt sich das Eintauchen ebenso wie in Gehrys spektakuläre Architektur.

Torsten Ferge

Coach und Supervisor
www.ferge-coaching.de 

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