Braucht es dieses weitere Buch in der Fülle an Einführungsbüchern in systemisches Coaching? Diese Frage stellt die Autorin selber. Elke Sieger schreibt als langjährige Coaching-Ausbildnerin zusammen, was ihr an zu vermittelndem Wissen wichtig ist.
Das Buch ist mit Blick auf Gliederung und Ästhetik sehr zugänglich gestaltet. Der Umfang ist angenehm und das Curriculum komplett. Das Buch verheißt einiges. Kritik muss aber am konzeptionellen Anweg geäußert werden. Zum einen definiert die Autorin den Coaching-Begriff nur über Unterschiede zu Supervision und Therapie. Wobei der benannte Hauptunterschied zur Supervision (S. 17) hinterfragt werden darf – auch Supervision ist zielorientiert. Die Abgrenzung zur Therapie ist dagegen auffallend ausführlich (S. 18–25). Zum anderen führt das Anliegen, systemisches Denken vor allem als Haltung zu verstehen, zu teilweise problematischen Verkürzungen.
Im praxisorientierten Hauptteil des Buches zeigt sich die Stärke der Autorin als Ausbildnerin: kompakt und kompetent, konkret und doch – z.B. durch schöne Zitat-Auswahl – mit Blick auf den Horizont. Gerade Coaching-Neulinge finden ein gutes Geländer, das sich nicht als Anleitung gibt, sondern als Handreichung für die prozessorientierte Ausgestaltung.
Hervorhebenswert sind die Kapitel zur Lösungsorientierung trotz bleibender Komplexität (S. 41–49), zur Zielklärung (S. 68–75), zu den Kundentypen (S. 79–85), die schön aufgelockerte Einführung in Formen systemischen Fragens (S. 87–106) und die Darstellung der Tetralemma-Arbeit (S. 134–139). Andere Methoden werden nur knapp eingebracht (Systemvisualisierung, Konflikte, Reframing, inneres Team). Zuletzt wird eine Coaching-Stunde im Wortlaut wiedergegeben, gegliedert und kommentiert. Das hilft gerade Anfängern, die von Ansatz und Methode begeistert sind, sich aber fragen: „Und wie geht das jetzt?“ Der Text illustriert z.B. die Redeanteile. Bis auf wenige Hinweise wird aber die für die Beratungsarbeit so wichtige körperliche Ebene (Körperhaltung, Stimmlage) und die Zeitdimension (Sprechtempo, Länge der Pausen) nicht dokumentiert. Es werden auch nur verbale Interventionen gesetzt. Und es könnte helfen zu verstehen, was, wenn das ein „systemisches Gespräch“ (S. 147) ist, ein nicht-systemisches oder ein systemischeres Gespräch wäre.
Fazit: Insgesamt halten sich Schwächen und Stärken die Waage. Das Buch lohnt einen Blick. Anfänger im Beratungsmetier sollten das Buch mit einem Begleiter als Navigator anschauen. Erfahrene Coaches können ihr Wissen abgleichen.
Jan-Christoph Horn