Vier CDs mit Coaching-Situationen. Das didaktische Prinzip ist, jeweils eine ganze Szene zu zeigen. Dies dauert wenige Minuten. Dann wird die Szene in zwei oder drei einzelnen Abschnitten wiederholt und kommentiert. Dann folgt die nächste Szene.
Der Vorspann erläutert präzise, was die vier CDs leisten sollen - und was nicht. Er lautet: "Die Videos auf dieser CD sind mit Coachs gedreht, die viel Erfahrung im Business Coaching besitzen. Die Themen wurden grob vorbesprochen. Die Dialoge sind also nicht gestellt, sondern haben sich so im Studio ergeben. Der Fokus der Dreharbeiten lag nicht auf der perfekten Darstellung eines Coachings. Vielmehr lag der Fokus darauf, Ihnen verschiedene Tools und damit verschiedene Herangehensweisen in einem Coaching zu demonstrieren. Als Schulungsfilme sollten hier die Tools - manchmal auch in Kombination und auch in Schleifen - gezeigt werden. Sie kennen mithilfe dieser Videos die Tools nicht nur in schriftlicher Form, sondern haben sie "live" erlebt. Das macht erfahrungsgemäß das Lernen interessanter und einfacher. Das Studio gab uns nicht die Möglichkeit, einen großen oder weitläufigen Raum zu beanspruchen. Das ist im realen Coaching sicher anders. Deswegen haben wir uns auf die Methoden fokussiert, die an einem Tisch darstellbar sind. Die Videos spiegeln also keine perfekte
Coaching-Arbeit, sie zeigen aber das "echte Leben". Alle Szenen können so oder in ähnlicher Form tatsächlich vorkommen."
Das Interesse oder der Lernprozess, mit dem eine Person an diese Videoszenen herangeht, erlaubt die Wiederholung, den Schnitt, die Vertiefung. Und anders als bei wiederholtem Lesen eines Satzes oder Abschnitts im Buch werden hier Interaktionen gezeigt. Wer zuschaut, kann sich in die eine oder andere Person hinein versetzen. So kann man als Klient lernen oder als Coach. Oder man wird als Coach gecoacht.
Es sind konkrete Szenen: Als Erstes wird zum Beispiel Contracting "einsichtig": Drei Männer sitzen an einem Tisch. Rechts der Chef, in der Mitte der Coach, links der Klient. Der Coach fragt den Chef nach seinen Zielen. Dieser nennt zwei konkrete innerhalb des Anliegens einer allgemeinen Unterstützung der Mitarbeitenden: 1. Mehr eigene Führung im Team und weniger direkte Kommunikation der Mitarbeitenden des Klienten mit dem Chef. 2. Lösungsorientierter agieren, der Klient soll also nicht mit Problemen zum Chef kommen, sondern schon mit Lösungsvorschlägen.
Die Zielsetzung des Contracting wird erläutert. Wie kommt man bei drei Personen zu einer gemeinsamen Zielsetzung? Für den Kontrakt sind die Ziele des Chefs wichtig, die des Klienten werden später präzisiert. Der Kommentar zur Szene erklärt, wie der Coach den Klienten beobachtet, um diese Frage in der ersten Coaching-Sitzung dann aufzugreifen. Der Schlusstext empfiehlt ein eigenes Gespräch zwischen Chef und Coach, um vom Chef dessen Rückhalt für den Klienten durch eine klare Abgrenzung seiner Rolle zu erwirken.
Nach dem Contracting werden weiter gezeigt: Zielfusion, Rollen von Betroffenheit, das SMART-Modell, die Verschlimmerungsfrage, Weltbild und Übertreibung, Chunks, Beliefs, Reframing, Jetzt-Filter, Wunderfrage, Ausnahmen, Skalierung, Begeisterung für das Problem, Anerkennung, Visibility, Tempo und andere. Viele dieser englischen Begriffe verweisen auf NLP, das Neurolinguistische Programmieren. Sie erhalten im Umschlagtext der Kassetten noch eine zusätzliche Weihe als Auswahl aus einem Ausbildungsprogramm, das vom Verband European Mentorin and Coaching Council (EMCC) zertifiziert wurde.
Die verschiedenen Szenen bauen in gewisser Weise einen Coaching-Prozess auf. Er verläuft in den Videoszenen immer wieder in anderen Settings, in unterschiedlichen Rollen. Das heißt, die Person des oder der Coachs wechselt ebenso wie die Personen der Kunden, Mann oder Frau. So ergibt sich ein gewisser Bogen, ein Prozess, der zwar vorrangig auf die eingesetzten Instrumente setzt, zugleich aber die jeweilige Interaktionsdynamik achtet und reflektiert.
Allerdings zeigt sich von Szene zu Szene, dass der Konstruktionsrahmen für die Anwendung der Tools der eines "remedial coaching" ist. Legt eine Kundin oder ein Kunde ein Problem auf den Tisch - und dies ist durchgängig der Fall -, dann kann der oder die Coach ihre Instrumente zum Einsatz bringen. Wenn man mehrere Szenen in Folge betrachtet, ist man versucht zu fragen, ob zuerst jeweils das Problem ansteht oder nicht umgekehrt das Lösungsinstrument. Doch diese Frage scheint müßig, wie die nach Henne und Ei. In den Videoszenen passen Probleme und Lösungen gut zusammen.
So verfolgen den Betrachter diese Probleme hartnäckig immer weiter bis zur vierten CD. Immer wieder geht es um Anerkennung, Überlastung, Sichtbarkeit, klare Aufgabensetzung, Ich-Stärke in der Führung von Selbst und anderen, Rollenklarheit. Am Schluss bleibt der Eindruck, dass zwar viele Instrumente vorgestellt worden sind, sich jedoch nichts Wesentliches verändert hat. Stärken, Anerkennung, Wertschätzung, Stolz, Begeisterung, Engagement bleiben hehre, aber letztlich unerreichbare Desiderate. Der Video-Blick in die Instrumentenwerkstatt zeigt eine unlösbar erscheinende Verstrickung in Probleme. Er zeigt keine zufriedenen Kundinnen oder Kunden. Er zeigt Coachs, die gewieft mit ihren Instrumenten hantieren. So wird nach Meinung des Rezensenten der Blick für das, wie Business-Coaching für Kunden grundsätzlich Nutzen stiften kann, mehr verstellt als eröffnet.
Dr. Konrad Elsässer
Senior Berater, Schwertl & Partner, Frankfurt am Main
ke@schwertl-partner.de