Cover: Was Sie schon immer über Coaching wissen wollten? Antworten auf 53 wichtige Fragen. Paderborn: Junfermann.
Ute Simon-Adorf

Was Sie schon immer über Coaching wissen wollten? Antworten auf 53 wichtige Fragen. Paderborn: Junfermann.

Rezension von Thomas Webers

5 Min.

Woody Allen brachte in der Blütezeit der sogenannten sexuellen Revolution Anfang der 70er Jahre mit der Fantasy-Komödie "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten” einen Film in die Kinos, der sich dem absoluten Nummer-1-Thema widmete. Seitdem hat dieser Titel gar Manchen zur Nachahmung angeregt. Vielleicht auch unsere Autorin. Ist Coaching sexy? Und wenn ja, was hat es mit den 53 Fragen und Antworten auf sich?

Nun, wem es auf besagten Nervenkitzel ankommt, dies sei vorab verraten, der möge sich doch bitte woanders umtun. Die 53 Fragen werden über sechs Kapitel ausgebreitet: Es startet mit "Coaching: warum und wie?", leitet über zu "Veränderung: was passiert mit mir?", um dann noch mehr in den Vorbehalt abzugleiten: "Zweifel und mögliche Einwände: was aber, wenn…?". "Coaching ganz konkret: Was ist zu bedenken?" lautet der Titel des vierten Kapitels. "Intervention: Was macht der Coach?" zieht nun dramaturgisch nach oben, um dann in "Coaching: für mich selbst - und auch von mir selbst?" zu enden. Der Anhang präsentiert dann Trainingsmaterialien im Coaching, zumeist handelt es sich um Gestalt angenommene Metaphern wie Plüschtiere oder andere Gegenstände. Ein Glossar, eine ziemlich schmale Literaturliste und der "Werbeblock" mit den Kontaktdaten zur Autorin runden das Büchlein ab. 

"Viele Menschen trauen sich nicht, in ihrem privaten oder beruflichen Umkreis die Fragen zu stellen, die sie zum Thema Coaching bewegen - oft aus Angst, sich zu blamieren." So begründet die Autorin, warum sie ihr Buch, das in der Reihe "Soft Skills kompakt" erschienen ist, geschrieben hat. Machen wir es kurz: Coaching ist für die Autorin, und das wird vielen begründet zu wenig sein, offensichtlich mit NLP gleichzusetzen. Die Beispiele im Buch entstammen weitgehend dieser Tradition. NLP, so zeigt sich dem Rezensenten auch wieder mit diesem Buch, ist ein eklektischer Methodenverschnitt, den man anwenden kann, auch wenn man die Grundlagen, die sich hinter diversen "Formaten" oder "Tools" verbergen, nicht verstanden haben muss. Immer wieder nervt den Leser eine wenig präzise, oberflächliche Ausdrucksweise, die das Vertrauen in die fundierte Kompetenz der Autorin nicht wachsen lassen wollen. 

Man mag das nun als das "kleine Einmaleins" in der Lebensberatung durchgehen lassen. Doch das Büchlein ist sich offenbar noch nicht einmal darin einig, wer denn nun die eigene Zielgruppe sein soll. Zumeist wird das Publikum angesprochen. Aber immer wieder werden auch Hinweise für "den Coach" gegeben. Warum? Solcherlei passt einfach nicht zusammen. Und ist auch arg blass - beispielsweise, was man da unter "Coaching für den Coach lesen kann".

Recht eigensinnig, wenn das auch in der NLP-Szene möglicherweise Common Sense sein mag, wird es, wenn es um psychologische Konzepte geht: "Die Persönlichkeit entwickelt sich weiter", liest man beispielsweise. Per definitionem ist Persönlichkeit psychologisch ein stabiles Konstrukt. Aber Kompetenz ist entwicklungsfähig. Es ist solcherlei Undifferenziertheit, auf die man in der Trainingsszene leider immer wieder trifft, und die dazu beiträgt, dem Publikum alle möglichen Versprechungen zu machen, auch solche, die nicht immer haltbar sind, auf die man leider auch in diesem Buch stößt. So wirken auch die Ausführungen der Autorin zum Thema Wahrnehmung, immerhin ein essenzielles Thema für Coaching, eher blass, wenn man sie mit dem Stand wahrnehmungspsychologischer Forschung vergleicht. "Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie", dieses Diktum wird Altmeister Kurt Lewin zugeschrieben. Was aber, wenn es an der Güte der Theorie hapert, muss man fragen dürfen? Dito der Verweis auf das sogenannte "Modell der logischen Ebenen" nach Robert Dilts: Ob Dilts Gregory Bateson verstanden hat, darf man seit der überzeugenden Kritik von Klaus Grochowiak (1998) mit Recht bezweifeln. Ebenfalls erscheint die Metapher, "den Affen auf der Schulter zu haben", zur Erklärung der Delegationsproblematik im Coaching nicht ausreichend. Die Ausführungen dazu sind ebenfalls mehr als blass. Weiter käme man mit dem Konzept Dreieckskontrakt, das aus der Transaktionsanalyse stammt. 

Kritisch wird es dann, wenn plötzlich behauptet wird, im Coaching gelte "grundsätzlich die Schweigepflicht". Das wäre ehrenhaft und angebracht, aber nur einige Verbände verpflichten ihre Mitglieder darauf. Eine Vorschrift wie in der staatlich regulierten Psychotherapie gibt es nicht. Und ob es unserer Autorin gelingen mag, Ängste von Klienten ausreichend ernst zu nehmen, wenn sie konstatiert: "Ein Coach muss erkennen, ab wann ein Problem des Kunden auf einer Krankheit, beispielsweise auf einer Depression, Sucht oder Suizid-Gefährdung basiert. Dies ist die Grenze. Von dort an ist sozusagen die ’Couch‘ angesagt"? Woran soll der Leser festmachen, ob die Autorin weiß, dass diese Grenze erreicht ist? 

Hilft dies Büchlein der ahnungslosen Klientel bei der Orientierung? Nur sehr bedingt. Zum Einstieg ins Coaching eignen sich andere Einsteiger-Bücher, wie die von Sonja Radatz oder Christopher Rauen deutlich eher.

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