Wingwave-Coaching von Dirk Eilers und Cora Besser-Siegmund präsentiert eine umfassende Sammlung von Instruktionskarten, die darlegen, wie in ihrer spezifischen Weiterentwicklung des Coachings auf der Basis von NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) kombiniert mit körperlicher Resonanzarbeit vorzugehen ist. Der dabei genutzte sogenannte Myostatiktest, ein kinesiologischen Körpertests ähnliches Verfahren, ist dabei sehr charakteristisch. Alle Arbeit mit dem Klienten wird regelmäßig mittels der Körperresonanz überprüft und bestimmt die weitere Steuerung des Vorgehens im Coaching. Eine ganze Reihe von Fragestellungen des NLP-orientierten Coachings wie Reframing, imaginative Aufstellung oder Time-Line-Coaching werden auf dieser Basis ausführlich behandelt. Die inhaltlichen Beispielthemen, die angegangen werden, sind auch sehr vielfältig. Es reicht von Kommunikationsthemen über Essprobleme, Auftritts- sowie Flugangst bis hin zu Zahnbehandlungsangst.
Die Instruktionen sind sehr präzise und vor allem gut als Begleitung für Ausbildungskandidaten in dieser Methode zu nützen. Neben den Instruktionen werden auch immer eventuelle Reaktionen der Klienten aufgezählt und entsprechende Antworten vorgeschlagen. Auch der in der Methode des NLP verwurzelte Praktiker bekommt viele Anregungen. Allein, ohne weitere Lektüre ist ein Einsatz der Karten nicht möglich. Es wird auf die begleitende Lektüre von Büchern und beispielsweise beim Selbst-Coaching zusätzliche Musik-CDs verwiesen. Formal sind die Darstellungen gut gegliedert und mit Piktogrammen illustriert, aber auch sehr technisch umgesetzt.
Man kann nach Meinung des Rezensenten ein Konzept gut einordnen, wenn man seine Aussagen nach sechs Perspektiven prüft: Menschenbild, Ideen von Persönlichkeit und Unterschieden, Beziehung und Kommunikation, Entwicklung und Veränderung, Wirken von Kontext und Systemen sowie typische Professionsmethoden, die ein Verfahren auszeichnen. Nach dieser Betrachtung ist das Menschenbild im Wingwave-Coaching eher sehr stark durch unbewusste Konditionierungen bestimmt. Die Körperreaktion im Myostatik-Test gibt mit seiner Stärkereaktion vor, was richtig ist. Es gibt nur eine Ausnahme, wenn es um illusionäre Glaubenssätze geht.
Das Persönlichkeitsmodell ist entsprechend offen, da alles Mögliche gelernt sein kann. Hier kommt das Teilemodell der Persönlichkeit zur Anwendung, aber mit beispielhaft aufgezählten 24 Teilen. Das Teilemodell der Persönlichkeit findet sich auch in Darstellungen der Familientherapeutin Virginia Satir wieder. Danach kann man die Persönlichkeit eines Menschen so verstehen, als würde sie aus vielen verschiedenen Persönlichkeitsteilen bestehen. Eilers und Besser-Siegmund unterscheiden hier entsprechend sehr viele Teile, die vom "Freiheitsteil", der für Unabhängigkeit und Autonomie der Persönlichkeit stehe, bis zum "kreativen Teil", der für die brachliegenden Kraftquellen und Möglichkeiten aus unseren Lebenserlebnissen steht. Charakteristisch ist vielleicht die im NLP angenommene Bedeutung der Sinneskanäle. Die werden hier aber so bedient, dass man versucht, alle zu adressieren und keinen auszulassen. Letztlich spricht aber auch bezüglich der Sinne der Körper die Wahrheit. Der Myostatiktest ist das entscheidende Evaluationskriterium.
In Beziehung und Kommunikation des Coachs zu seinem Klienten kommt eher ein traditionelles Arzt-Patient-Bild zum Ausdruck. Da ist jemand, der durch geschickte Verknüpfung von Technik und Diagnostik einen anderen behandelt, der eher reaktiv damit umgeht. Das Entwicklungs- und Veränderungskonzept ist demzufolge ein durchaus lineares - um nicht zu sagen: es mutet manchmal mechanistisch an. Kontext und daraus folgende Wirklichkeitskonstruktionen werden weniger herangezogen. Auch in der behandelten imaginativen Familienaufstellung findet die Arbeit im Mentalen des Klienten statt. Auf der Professionsmethodenebene erscheint das Verfahren sehr ausgefeilt und mit vielen Einzelhinweisen und "technischen" Verfahrensvorschlägen für den Coach positioniert. Resultat des Körpertests, ob man ihn jetzt immer aussagekräftig im Sinne der Autoren findet oder nicht, ist zumindest eine gewisse Entschleunigung und Fokussierung des Dialoges. Immer wieder wird angehalten und innegehalten, um ein Thema zu fokussieren.
Anzumerken bleibt, dass eine Unterscheidung zwischen Therapie und Coaching nicht ausdrücklich vorgenommen wird. Die Beispiele und Themenfelder sind wie oben dargestellt, neben eher typischen Coaching-Themen sehr stark auf durchaus auch klinisch relevante Störungsfelder bezogen und damit dem therapeutischen Arbeiten zuzuordnen. Auch Formulierungen wie "die innere Familie heilen" deuten in diese Richtung. Die sehr wichtige Unterschiedsbildung der Anwendungsfelder für Methoden gehört aus Sicht des Rezensenten für Coaches und für Therapeuten allerdings zum Grundrepertoire.
Insgesamt stellen die Autoren ein sehr umfassendes und detailliertes Vorgehensrepertoire ihrer Methode vor, das für in dieser Methode Lernende und auch offene Vertreter anderer Schwerpunktmethoden eine Menge Anregungen gibt.