Es existieren mehrere Metastudien, die Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen zur Wirksamkeit von Coaching statistisch auswerten (De Meuse et al., 2009; Theeboom et al., 2014; Sonesh et al., 2015; Jones et al., 2015; Graßmann et al., 2019). Durch die Studien bewiesene Effekte sind etwa: eine verbesserte Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit, die Reduzierung von Stress, Burnout und Fehlzeiten, ein höherer Zielerreichungsgrad sowie eine höhere Arbeitszufriedenheit (siehe auch Ebermann, 2019).
Für die Metaanalyse „Does Coaching Work?“ wertete Coaching-Forscher Tim Theeboom von der Universität Amsterdam 18 von insgesamt 107 gesichteten Studien aus, die – so die drei Auswahlkriterien – (1) quantitative Daten in Bezug auf die Wirksamkeit von Coaching enthalten und für die (2) von qualifizierten Coaches durchgeführte Coaching-Prozesse mit (3) psychisch gesunden Klienten untersucht wurden. Das Ergebnis ist eindeutig: Im organisationalen Kontext stattfindendes Coaching hat signifikante positive Effekte auf alle im Rahmen der Analyse untersuchten Wirksamkeits-Kategorien.
„In general, our meta-analytic findings indicate that coaching is an effective tool for improving the functioning of individuals in organizations.“ (Theeboom et al., 2013)
Weitere Metaanalysen, die (1) Längsschnittstudien (mindestens zwei Erhebungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten) heranzogen, welche sich (2) nicht auf ausschließlich retrospektive Einschätzungen der Klienten berufen, bestätigen dieses Bild im Grundsatz, wie Kotte et al. (2016, S. 12) im Rahmen eines Abgleichs Thebooms (auch rein restrospektive Klienten-Einschätzungen) und drei weiterer Studien ausführen. So wiesen alle ausgewerteten Analysen die Wirksamkeit von Coaching nach. „Allerdings zeigt sich zwischen den Metaanalysen und innerhalb der einzelnen Metaanalysen eine starke Bandbreite an Effektstärken“, halten die Autorinnen fest und relativieren: Das Fazit, dass Coaching wirkt, gelte somit nicht für jede Coaching-Intervention.
Die größte Effektstärke konnte Theeboom in Bezug auf die Kategorie „Zielerreichung“ (Goal-attainment) messen. Es folgen:
Zu bewerten sind die Ergebnisse vor dem Hintergrund insbesondere einer Einschränkung: Dem Umstand, dass vergleichsweise wenige Wirksamkeitsstudien existieren, die sich nicht ausschließlich auf Selbstauskünfte der Klienten stützen, wie Theeboom et al. (2013) anmerken. Dennoch steht für die Forscher fest: Coaching erzielt im organisationalen Kontext positive Effekte. So müsse zukünftige Forschung nicht mehr primär die Frage stellen, ob Coaching wirkt, sondern wie bzw. wodurch (Wirkfaktoren) es wirkt.
Coaching-Forscher Prof. Dr. Carsten C. Schermuly hält im Interview mit dem Coaching-Magazin (Ebermann, 2021, S. 18) fest, dass Coaches hinsichtlich der Wirksamkeit von Coaching selbstbewusst auftreten können: „Wir wissen, dass Coaching wirkt. Es existieren mehrere Metaanalysen, die das deutlich zeigen. Beispielsweise wird die Selbstregulationsfähigkeit der Menschen durch Coaching erhöht. Wir wissen zudem, dass die arbeitsbezogenen Einstellungen profitieren: Die Klientinnen und Klienten werden durch Coaching arbeitszufriedener. Ihre Fähigkeit, Probleme und Herausforderungen im Job zu bewältigen – das sogenannte Coping –, verbessert sich. Wir wissen auch, dass die Leistungsfähigkeit durch Coaching gesteigert werden kann. Diese Effekte sind stabil und es gibt keinen Grund mehr, bezüglich der Wirkung von Coaching schüchtern zu sein. Coaching wirkt!“
Kotte et al. (2016, S. 20) kommen, wie oben bereits angedeutet wurde, auf Basis ihrer Auswertung zum gleichen Schluss: „Insgesamt kommen die Metaanalysen zu dem Ergebnis, dass Coaching wirkt. Allerdings schwankt die Stärke der Effekte zwischen den und innerhalb der Metaanalysen stark, was umso deutlicher macht, dass zukünftig weniger Wirksamkeits- und mehr Wirkfaktorenforschung nötig ist.“
Entsprechende Ergebnisse der vorliegenden Metaanalysen tragen die Autorinnen in ihrer Auswertung dieser zusammen und nehmen folgende Bewertungen vor:
1. Dauer des Coachings:
Es zeichnet sich kein konsistenter Einfluss von der Anzahl der Coaching-Sitzungen oder dessen Gesamtlaufzeit auf die Wirksamkeit ab. Zukünftige Forschung müsse die Schwere (Komplexität, Anspruch etc.) des Coaching-Anliegens einbeziehen, da zu vermuten sei, dass schwerere Anliegen eine längere Dauer benötigen. (Metaanalysen: Theeboom et al., 2014; Jones et al., 2015; Sonesh et al., 2015)
2. Feedback:
Sowohl für den Einsatz von Mehrperspektiven- bzw. 360°-Grad-Feedback als Instrument der Prä-post-Erfolgsmessung als auch für dessen Verwendung als Instrument, mit dem während des Coachings aktiv gearbeitet wird, zeigen sich positive Effekte. Überraschend scheint, dass im Kontext der reinen Erfolgsmessung der deutlich positivere Effekt festgestellt wurde. Erklärung: Möglicherweise wirke sich die Bearbeitung zu vieler (aus dem Feedback resultierender) unterschiedlicher Anliegen negativ aus, vermuten die Autorinnen unter Bezug auf Schermuly et al. (2014). (Metaanalyse: Jones et al., 2015)
3. Vergleich Face-to-Face- vs. Blended-Coaching (Kombination aus Face-to-Face- und Distanz-Coaching):
Beide Settings erweisen sich als gleichermaßen effektiv. Einen Vergleich beider Settings mit reinem Distanz-Coaching (z.B. E-Mail, Telefon) lasse die aktuelle Datenlage nicht zu, so die Autorinnen. (Metaanalyse: Jones et al., 2015)
4. Coach-Klient-Beziehung:
Die Qualität der Beziehung zwischen Coach und Klient hat signifikanten Einfluss auf den Erfolg des Coachings. Einschränkung: Es wurden der entsprechenden Metaanalyse lediglich zwei Primärstudien zugrunde gelegt. (Metaanalyse: Sonesh et al., 2015)
5. Vergleich externes vs. internes Coaching:
Beide Varianten sind wirksam, jedoch konnte für internes Coaching die positivere Effektstärke festgestellt werden. Erklärungsversuch: Möglicherweise wirke sich die bessere Vertrautheit mit der Organisationskultur positiv aus (Entwicklung passgenauer Strategien). Die Autorinnen verstehen diesen Befund allerdings als vorläufig. Sie sehen weiteren Forschungsbedarf, da nur wenige Primärstudien herangezogen werden konnten, die die Arbeit interner Coaches untersuchen, wogegen die Datenlage bezüglich externen Coachings deutlich umfangreicher ist. (Metaanalyse: Jones et al., 2015)
Im Rahmen einer bei Kotte et al. nicht berücksichtigten Metaanalyse, für die 32 auf Einzel-Coaching bezogene Wirkfaktoren-Studien ausgewertet wurden, identifiziert Dr. Marc Lindart (2015) vier Wirkungsebenen, denen er insgesamt 16 für den Coaching-Erfolg relevante Wirkfaktoren zuordnet:
1. Wirkungsebene der Arbeitsbeziehung
Die hier eingeordneten Wirkfaktoren (1) Empathie, Wertschätzung und emotionale Unterstützung sowie (2) Dominanz lassen sich als Interaktionsmerkmale des Coachs beschreiben. Die Faktoren (3) Vertrauen sowie (4) Kollaboration, Commitment und Übereinstimmung können, so Lindart, als „Charakteristika einer erfolgsversprechenden Arbeitsbeziehung“ verstanden werden.
2. Wirkungsebene der Strategien und Techniken
Der Wirkungsebene der Strategien und Techniken, die für ein erfolgreiches Coaching von Bedeutung sind, werden folgende Wirkfaktoren zugeordnet: (5) Zielklärung und -konkretisierung, (6) Ressourcenaktivierung, (7) individuelle Analyse und Anpassung, (8) ergebnisorientierte Selbstreflexion, (9) ergebnisorientierte Problemreflexion, (10) Evaluation im Verlauf, (11) Umsetzungsunterstützung und (12) Methodenvielfalt (methodisch variable und praxisorientierte Herangehensweise)
3. Wirkungsebene der Kommunikation
Der Wirkungsebene der Kommunikation werden die Wirkfaktoren (13) Fragenstellen, (14) Zuhören und (15) Feedback zugeordnet. Wie Lindart ausführt, sind diese Faktoren nicht isoliert zu betrachten. Sie stünden in direkter Verbindung zu anderen Wirkfaktoren und dienten als „Umsetzungsvehikel“. Mit ihnen ließen sich etwa Empathie, Wertschätzung und emotionale Unterstützung (Wirkfaktor 1) zum Ausdruck bringen. Zudem dienten sie als Hilfsmittel bei der Zielklärung (Wirkfaktor 5), bei der Ressourcenaktivierung (Wirkfaktor 6) oder der ergebnisorientierten Selbst- und Problemreflexion (Wirkfaktoren 8 und 9).
4. Wirkungsebene der Organisation
Der identifizierte Wirkfaktor (16) organisationale Unterstützung rückt das Arbeitsumfeld des Klienten in den Blick. Unterstützen Vorgesetzte des Klienten dessen Veränderungsprozess etwa durch den Einsatz finanzieller Ressourcen oder durch positives Feedback, so steigen der Auswertung zufolge scheinbar die Chancen auf ein erfolgreiches Coaching.