Natürlich ist es für einen Interessenten zunächst schwer, sich über die Struktur und Didaktik einer Coaching-Ausbildung einen Eindruck zu bilden, ohne die Ausbildung bereits gebucht oder daran teilgenommen zu haben. Neben der Möglichkeit, an Kennenlern- oder Informationsveranstaltungen teilzunehmen oder Bekannte nach deren Erfahrungen zu fragen, gibt es jedoch leicht erkennbare Merkmale, die wesentliche Rückschlüsse erlauben.
Eine Coaching-Ausbildung sollte mindestens einmal pro Jahr angeboten werden (s.a. „Qualitätsstandards zu Coaching-Ausbildungen“, DBVC, 2019). Damit belegt ein Anbieter sowohl seine Relevanz am Markt als auch seine organisatorische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, was als ein Teil von Professionalität angesehen werden kann. Die Behauptung, zahlreiche Coachs würden nur deshalb Coaching-Ausbildungen anbieten, weil sie vom Coaching nicht leben können, wurde in den jährlichen Marktanalysen von Jörg Middendorf und MWonline zur wirtschaftlichen Situation von Coachs bereits widerlegt. Richtig ist stattdessen, dass viele Coachs mit Trainings sowie PE/OE-Maßnahmen ihr Geld verdienen und nur eine geringe Minderheit von Coachs ausschließlich vom Coaching lebt.
Bzgl. der Teilnehmerzahl sind unterschiedliche Modelle sinnvoll. In der Einzelarbeit und in kleineren Gruppen (unter zehn Personen) kann intensiv und individuell gelernt werden. Größere Gruppen (bis 18 Personen) bieten hingegen mehr Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch und sind i.d.R. für den Einzelnen kostengünstiger. Eine Orientierung kann hier die Betreuungsintensität pro Teilnehmer geben: Ein Dozent bzw. Lehr-Coach sollte nicht mehr als zehn Teilnehmer betreuen, d.h. in größeren Gruppen sollte (mindestens) ein weiterer Lehr-Coach dauerhaft zur Verfügung stehen. Ansonsten ist eine Orientierung an den individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen der Teilnehmer samt einer Integration von vorhandenen Feldkompetenzen kaum oder nur unzureichend möglich. Ferner ist es auch sinnvoll, dass es zumindest einen Lehr-Coach gibt, der die gesamte Ausbildung begleitet. Auf diese Weise ist es möglich, Entwicklungen der Ausbildungs-Teilnehmer nachzuvollziehen und ggf. weitere Entwicklungspfade aufzuzeigen. Ändern sich ständig die Lehr-Coaches, ist dieses hingegen kaum bzw. nur eingeschränkt möglich.
Um den gegenseitigen Austausch zwischen den Ausbildungsteilnehmern zu fördern, sollte in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen gearbeitet werden. Didaktisch sinnvoll ist es, wenn auf eine Theorieeinheit praktische Übungen folgen, abwechselnd in Klein- oder Großgruppen. Damit werden Theorie und Praxis miteinander verknüpft und die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf einem guten Niveau gehalten. Lange Monologe oder Frontalunterricht lassen weder eine Klientenzentrierung, noch didaktische Fähigkeiten erahnen.
Für einen Coach ist es wichtig, sich und seine Arbeit reflektieren zu können und Perspektivenwechsel (bei sich und anderen) zu initiieren. Daher sollten Teilnehmer von Coaching-Ausbildungen in den praktischen Übungen nicht nur die Coach-Rolle kennen lernen bzw. erproben. Idealerweise lernen die Teilnehmer das Coaching auch durch das Einnehmen der Rolle des Klienten und aus der Beobachterperspektive kennen. Die Klientenrolle verdeutlicht die Wirkung von Methoden, die Beobachterperspektive ermöglicht es, den Coaching-Prozess „von außen“ besser reflektieren zu können. Die Anwendung von Methoden aus allen drei Positionen zu erleben, zeigt jeweils andere Aspekte der Beratungstätigkeit. Somit bieten sich für praktische Coaching-Übungen so genannten „Triaden“ an, in denen in der Dreierkonstellation Coach-Klient-Beobachter gearbeitet wird.
Abhängig von der Gesamtgruppengröße ist es für die Triaden- und Kleingruppenübungen dann notwendig, genügend Räume zur Verfügung zu haben, die ein störungsfreies Arbeiten ermöglichen. So trivial dies erscheinen mag – für die Ausbildung ist es von nicht unwesentlicher Bedeutung.
Didaktisch sollte eine Coaching-Ausbildung so abwechslungsreich aufgebaut ein, dass die Aufmerksamkeit der Teilnehmer möglichst hoch gehalten wird. Dazu kann neben klassischen Lerneinheiten z.B. mit Kurzvorträgen, praktischen Übungen, Demonstrationen, Rollensimulationen, supervidierten Coaching-Situationen, Diskussionen, selbstorganisiertem Lernen, Videofeedback, Gastdozenten uvm. gearbeitet werden. Ideal ist es, wenn das Lernen so gestaltet wird, dass es ein Aneignungsprozess und keine belehrende Wissensvermittlung darstellt.
Dabei sollte eine Ausbildung eine Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen erkennen lassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Ausbildung am Anfang nur aus Theorie bestehen sollte. Vielmehr sollten möglichst früh – wenngleich natürlich in einem geschützten und supervidierten Rahmen – praktische Erfahrungen gesammelt werden können.
Neben dieser Arbeit in den Präsenzblöcken einer Ausbildung ist aber insbesondere die Zeit zwischen den Blöcken von besonderer Bedeutung. Daher sind Coaching-Ausbildungen „am Stück“, die wie in einem Crash-Kurs Wissen kompakt vermitteln wollen, nicht unproblematisch. Wie auch im Coaching, sind es insbesondere die Phasen zwischen den Präsenzblöcken, in denen das Erlernte durch praktisches Umsetzen in Können transformiert wird – und dies erfordert Zeit. Zudem sollte in den Ausbildungsblöcken auch die Möglichkeit zur Supervison/Intervision bestehen, um das zwischenzeitlich Erfahrene zu reflektieren. Auf diese Weise ist auch eine Herausbildung von individuellen Interessenschwerpunkten, eine Entwicklung eines eigenen Stils und eines eigenen Coaching-Konzepts möglich.
In jedem Fall sollte eine Coaching-Ausbildung freiwillig besucht werden. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die meisten Teilnehmer von Ausbildungen diese freiwillig gebucht haben. Dennoch kann es vorkommen, dass sich eine Ausbildungsmaßnahme als ungeeignet oder bedingt durch unvorhergesehene Rahmenbedingungen als nicht passend erweist. Wenn dann die Teilnahme nur noch erfolgt, weil kein Ausstieg möglich ist, wird das Ergebnis weder für den Teilnehmer noch für den Ausbildungsanbieter befriedigend ausfallen können. Daher sollten Coaching-Ausbildungen so angelegt sein, dass vor der Ausbildung die Möglichkeit besteht, sich umfassend zu informieren, z.B. auf Informationsveranstaltungen. Idealerweise bietet eine Coaching-Ausbildung daher die Möglichkeit, eine erste Ausbildungseinheit unabhängig von der gesamten Ausbildung zu buchen und sich danach für oder gegen eine Fortsetzung der Ausbildung entscheiden zu können. Damit kann nicht nur die Freiwilligkeit der Teilnahme sichergestellt werden, sondern auch das Engagement der Teilnehmer, die sich bewusst für die Fortsetzung der Ausbildung entschieden haben. Zudem wird so eine Grundlage für die gegenseitige Akzeptanz in der Ausbildungsgruppe (inklusive der Lehr-Coaches) gelegt, was dem Lernprozess nur zuträglich sein kann.
Zur Qualitätsüberprüfung und kontinuierlichen Verbesserung ist eine möglichst systematische Evaluation der Coaching-Ausbildung angezeigt. In bzw. spätestens zum Schluss der Ausbildung und ggf. darüber hinaus sollte eine Überprüfung stattfinden. Dabei sollte nicht nur die Ergebnisqualität berücksichtigt werden, sondern auch die Struktur- und Prozessqualität. Erst auf diese Weise kann ein Ausbildungsanbieter auch über längere Zeiträume sicherstellen, dass sein Angebot professionellen Ansprüchen genügt.
Die vorgestellten Anforderungen an Struktur und Didaktik können auch als Word- und PDF-Dokument frei heruntergeladen werden:
Dr. Christopher Rauen und Andreas Steinhübel leiten gemeinsam die RAUEN Coaching-Ausbildung. Hier finden Sie weitere Informationen zur Ausbildung.