Genau genommen kann man jedes (gute) Coaching als „entwicklungsorientiertes Coaching“ bezeichnen, denn letztlich geht es im Coaching um das (Mit-)Auslösen und Begleiten von Entwicklung. Dennoch zeichnet sich ein explizit entwicklungsorientiertes Coaching gegenüber einem „normalen“ Coaching durch eine Reihe von Merkmalen aus. Hervorgehoben seien zunächst zwei wesentliche Nebenbedingungen, die zu berücksichtigen sind:
Das entwicklungsorientierte Coaching zeichnet sich dadurch aus, dass es eine umfangreiche(re) Analysephase beinhaltet, in der auch Aspekte abgefragt und geklärt werden, die dem Klienten möglicherweise zunächst unwichtig erscheinen oder ihm gar nicht bewusst sind. Analysiert wird dabei sowohl der Klient, als auch sein Umfeld. Dies ist wichtig, um nicht Scheinziele oder einseitige Ziele zu verfolgen, deren Konsequenzen derart viele negative Begleiterscheinungen mit sich bringen, dass das Ziel nicht mehr erstrebenswert ist. Derartige Begleiterscheinungen werden oftmals ausgeblendet. Die umfassende Analyse hilft, sich damit auseinander zu setzen.
Weiterhin verlangt das entwicklungsorientierte Coaching vom Coach die Sensibilität, auch schmerzhafte Entwicklungen zu erkennen, diese anzusprechen und (auch länger) begleiten zu können. Dies setzt beim Coach eine gewisse Reife bzgl. eigener Entwicklungserfahrungen voraus.
Zur Erläuterung: Es kann beobachtet werden, dass Klienten häufig ein Coaching in Anspruch nehmen, weil sie vordergründig einen Entwicklungswunsch haben, dahinter jedoch eher ein Wunsch nach Stabilisierung erkennbar ist. Beide Ziele sind legitim. Der Coach sollte jedoch ggf. darauf aufmerksam machen, inwieweit entsprechende Absichten miteinander überhaupt vereinbar sind. Ansonsten ist zu befürchten, dass eine vordergründig angestrebte Entwicklung nicht in Gang kommt, weil der Stabilisierungswunsch des Klienten dominanter ausgeprägt war – wobei dieser Wunsch ihm jedoch nicht zwangsläufig bewusst sein muss. Dem Klientenanliegen ist somit nicht mit Misstrauen, aber mit Sorgfalt zu begegnen.
Und schließlich sollte der Coach in der Lage sein, dem Klienten Mut zuzusprechen (zu ermutigen, aber auch Dinge zumuten), weil dies von wesentlicher Bedeutung für Entwicklungsprozesse ist. Die Konsequenz daraus ist, dass ein Coach ausschließlich mit den Klienten und den Entwicklungszielen arbeiten kann, die er für glaubhaft und möglich hält. Wer seinem Klienten ein bestimmtes Entwicklungsziel nicht zutraut, sollte seine Bedenken – natürlich gut begründet – mit dem Klienten besprechen. Entweder verliert dann der Coach seine Bedenken oder der Klient findet zusammen mit dem Coach ein anderes Entwicklungsziel. Es kann aber auch der Fall eintreten, dass das Coaching hier beendet werden muss – bzw. dass der Klient einen anderen Coach wählt. Dieses Vorgehen erfordert insbesondere vom Coach Courage und Professionalität.
Kommt ein Coaching zustande, ist es – wie üblich – die Hauptaufgabe des Coachs, die Übersicht im Gesamtprozess zu behalten. Der Coach muss am Anfang darauf achten, welches Entwicklungsziel sich der Klient gesetzt hat bzw. ausgesucht hat, wie realistisch dies ist, welcher Zeitraum dafür zur Verfügung steht, wie die Zwischenetappen aussehen und ob die Reihenfolge der einzelnen Entwicklungsziele sinnvoll angeordnet ist. Insbesondere hier werden meistens Fehler gemacht. Viele Klienten blenden ihre Stärken aus und möchten an ihren Defiziten arbeiten – und wundern sich, warum ihre Motivation schleichend sinkt. Hier kann mit weniger Aufwand aus vorhandenen Stärken oft wesentlich mehr gemacht werden. Zumindest sollten Klienten, die defizitorientiert sind, auf diesen Umstand hingewiesen werden.
Entwicklungsorientierte Coachings sind noch persönlicher und intensiver als „normale“ Coachings. Die entwicklungsorientierte Perspektive birgt die Möglichkeit, bemerkenswerte Veränderungen herbeizuführen bzw. zu begünstigen. Diese Entwicklungsprozesse können sehr langsam ablaufen – sie können aber auch überraschend schnell zu sichtbaren Resultaten führen.
Eingebettet in das COACH-Modell sollten in einem entwicklungsorientierten Coaching folgende Aspekte geklärt bzw. Fragen an den Klienten gestellt werden, um eine genauere Übersicht möglicher Entwicklungsfelder und Ansatzpunkte für Entwicklungsprozesse zu gewinnen. Idealerweise wird dem Klienten bei der Beantwortung der Fragen bereits deutlich, welche Aspekte er bisher (unbewusst) vernachlässigt hat.
Die folgenden Fragenbereiche und Fragen sollten thematisiert werden. Die Bereiche können um anliegenspezifische Bereiche ergänzt bzw. modifiziert werden (entsprechendes gilt für die Fragen).
Arbeitsqualität:
Arbeitsquantität:
Arbeitsorganisation:
Termintreue:
Problemlösefähigkeit:
Kommunikation:
Fachkompetenz:
Mitarbeiter:
Technische Ausstattung:
Ziele:
Konflikte:
Image:
Bereits während der Analyse sollte der Coach für sich protokollieren, welche möglichen Wahrnehmungsfehler der Klient gemacht hat bzw. macht, um ihm unreflektierte Zielsetzungen (Überidealisierungen, Defizitorientierung, übertriebener Ehrgeiz, Ausblenden von Rahmenbedingungen usw.) zurückzuspiegeln.
Im Anschluss an den Analyseprozess, der mehrere Sitzungen umfassen kann, sollte der Klient ausreichend Zeit haben, um die aus seiner Sicht sinnvollsten Entwicklungsschritte zu durchdenken. Hierbei kann es hilfreich sein den Klienten zu bitten, seine nun angestrebten Entwicklungsschritte schriftlich niederzulegen.
Ob und wie sehr die Entwicklungsziele realistisch sind, sollte der Coach hinterfragen. Allerdings sollte er dabei bedenken, dass dieses Hinterfragen bereits als Intervention angesehen werden muss. Unsichere oder unter Druck stehende Klienten können dadurch zusätzlich verunsichert werden. Der Coach muss hier daher sehr umsichtig agieren, um einerseits nicht zum Unsinn zu ermutigen, andererseits aber auch nicht zu demotivieren.
Im nächsten Schritt gilt es, gemeinsam einen Zeitplan aufzustellen, in dem die konkreten Handlungsschritte, Zwischenergebnisse und mögliche Alternativen festgelegt werden. Sinn dieser Maßnahme ist es, dem Klienten mehr Sicherheit zu geben und bereits vor seinem geistigen Auge die Zielzustände zu visualisieren. Hier kann es durchaus vorkommen, dass Zwischenziele – aber auch das Gesamtziel – nochmals in Frage gestellt werden. Dies ist dann als Teil des notwendigen Klärungsprozesses anzusehen.
Der Coach unterstützt bei der Umsetzung der einzelnen (Zwischen-)Ziele. Ggf. müssen Ziele abermals angepasst und auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden. Hier unterscheidet sich das entwicklungsorientierte Coaching nicht von einem normalen Coaching.
Im Coaching-Prozess kann sich herausstellen, dass sich der Klient – für ihn unerklärlich – selbst blockiert und die vereinbarten Zwischenziele ohne erkennbaren Grund nicht erreicht. Derartigen Blockaden kann man begegnen, indem man sich ihnen stellt.
Dies sollte jedoch umsichtig geschehen. Blockaden hemmen nicht nur, sie haben auch immer eine Schutzfunktion. Wird eine Blockade weggenommen oder soll sie aufgelöst werden, so kann damit auch Sicherheit verloren gehen. Manchmal stammen solche Schutzmechanismen noch aus der Kindheit und haben längst ihre Notwendigkeit verloren, sind aber noch aktiv. Solche Hemmungen und Blockaden können stückweise reduziert werden, indem man sie offen thematisiert.
Abermals gilt hier wie im gesamten Coaching: Der Klient löst seine Anliegen alleine, der Coach ist Begleiter und Reflexionspartner.