Natürlich lässt sich Coaching unter dem Oberbegriff der „Beratung“ einordnen. Es gibt aber inhaltlich einige Charakteristika des Coachings, die hier gegenüber der Beratung hervorgehoben werden sollen, da sie in erheblichem Maße zum Nutzen und zum Verständnis der Aufgaben des Coachings beitragen.
Primär ist Coaching eine Prozessberatung und keine Fachberatung. Ein Coach kann und wird weder einen Steuerberater, Arbeitsmediziner, Rechtsanwalt, EDV-Berater usw. ersetzen. Dennoch wird der Coach praktisch immer auch als fachlicher Ansprechpartner bei bestimmten Anliegen gesehen und um Ratschlag oder eine persönliche Stellungnahme gebeten. Sofern dies für den gesamten Beratungsprozess sinnvoll ist, der Coach über die entsprechende fachliche Kompetenz verfügt und diese Meinungsäußerungen wohl dosiert gegeben werden, ist dagegen wenig einzuwenden.
Grundsätzlich braucht der Coach ohnehin oftmals Expertenwissen jenseits der Prozessberatung, um als Berater überhaupt vom Klienten akzeptiert zu werden. Zudem verlangen manche Aufgabenstellungen (z.B. im Projekt-Coaching) ein gewisses Maß an fachspezifischem Wissen (z.B. Kenntnisse des Projektmanagements).
Unterschiede | |
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Coaching | Beratung |
Verwendung psychotherapeutischer Methoden und Techniken | Fachliche Belehrungen, i.d.R. keine psychotherapeutischen Methoden und Techniken |
Analyse der Wahrnehmung der Aufgaben und der Gestaltung der Rolle und Funktion | Analyse der Arbeitsaufgaben |
Rolle des Prozessberaters als Zuhörer und Gesprächspartner | Rolle des Fachberaters als Zuhörer und Ratgeber |
Beschäftigung mit den Erlebnissen des Klienten | Beschäftigung mit rein fachlichen Fragen des Klienten |
Reflektierendes Verfahren | Fachliche Unterweisung |
Ist beziehungsorientiert, hat die Beziehungsaufnahme und -gestaltung als Ziel | Ist sachorientiert, eine Beziehungsaufnahme ist bestenfalls ein „Nebenprodukt“ |
Verhaltenserweiterung bzw. -flexibilisierung beim Klienten | Technischer/Fachlicher Wissenszugewinn |
Kann auch die persönliche Entwicklung betreffen | Betrifft i.d.R. rein fachlich-berufliche Anliegen |
Zielgruppe sind i.d.R. Personen mit Management-Aufgaben | Keine vorbestimmte Zielgruppe |
Coach und Klient bestimmen zusammen Inhalt und Ablauf; der Klient behält die Verantwortung für sein Handeln | Der Berater bestimmt den Inhalt und Ablauf und nimmt ggf. dem Klienten die Verantwortung ab |
Kein Beziehungsgefälle beim externen Coach | Der Berater ist als Fachexperte in seinem Fachgebiet klar überlegen |
Dient neben dem Aufbau überfachlicher Kompetenz (Selbstreflexionsfähigkeit) auch dem Aufbau von Fachkompetenz (z.B. Präsentationsfähigkeit) | Dient bestenfalls dem Aufbau fachlicher Kompetenz |
Der Coach ist als Prozessberater qualifiziert und verfügt über eine Methodenvielfalt | Der Berater verfügt über spezifisches Fachwissen |
Freiwilligkeit als Voraussetzung | Oft äußere – z.B. juristische, finanzielle, betriebswirtschaftliche – Sachzwänge |
Hilfe zur Selbsthilfe als Ziel | Etablierung als Berater und Spezialist für den Klienten |
Quelle: Rauen, C. (2014). Coaching. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Göttingen: Hogrefe
Gemeinsamkeiten |
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Wird durch organisationsexterne und -interne Berater durchgeführt |
Im Vordergrund steht die berufliche Rolle bzw. damit zusammenhängende Angelegenheiten des Klienten. |
Die Selbstmanagementfähigkeiten müssen funktionstüchtig sein |
Meist geringe emotionale Tiefe der thematisierten Probleme |
Für schwerwiegende psychische Probleme ungeeignet |
(Betriebs-)Wirtschaftliche Fachkompetenz und Unternehmenserfahrung des Beraters ist notwendig |
Zielorientierte Bearbeitung von Problemen, Erreichen eines Soll-Zustandes |
Themen wie „Macht" und „Hierarchien“ werden eher akzeptiert als kritisiert |
Kann hohe Kosten verursachen |
Auch rein (betriebs-)wirtschaftliche Leistungsziele werden verfolgt |
Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Klienten als Ziel |
Quelle: Rauen, C. (2014). Coaching. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Göttingen: Hogrefe
Auch kommt es vor, dass gerade im Coaching spezielle Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Kenntnisse erworben werden sollen und somit die inhaltliche Beratung klar vom Klienten gewünscht wird. Doch auch hier bleibt der Fokus primär auf der Prozessebene. Dies sei anhand eines Beispiels verdeutlicht:
Sich eigenständig anzulesen, wie Mitarbeitergespräche durchzuführen sind, sollte für keine Führungskraft ein Problem sein. Die Durchführung von fruchtbaren Mitarbeitergesprächen ist – so zeigt es die Praxis – immer wieder ein Problem. Die Schwierigkeit, die eine Führungskraft betrifft, ist hier einmal mehr nicht das „Was“, sondern das „Wie“.
Eine fachliche Anleitung, was im Mitarbeitergespräch im Einzelnen zu thematisieren ist, fällt unter den Begriff Beratung, genauer: Fachberatung. Das Erarbeiten – z.B. in Rollenspielen mit anschließendem Feedback –, wie ein Mitarbeitergespräch erfolgreich geführt und als Führungsinstrument genutzt werden kann, ist Coaching, d.h. Prozessberatung.
Ohne konkrete Übung und Feedback durch einen neutralen Coach würde der Klient hier mit einer reinen Fachberatung bestenfalls mit viel Mühe weiterkommen.
Ein weiterer Unterschied zwischen Coaching und Beratung ist, dass ein Fachberater das Problem seines Klienten löst – oder dies zumindest annimmt. Ein Coach erarbeitet hingegen zusammen mit dem Klienten eine Lösung. Damit soll gewährleistet werden, dass die gefundene Lösung individuell zu dem Klienten passt und nicht – wie häufig in der Fachberatung – eine Standardlösung darstellt.